Senatorin Sandra Scheeres hat am 13. Juni auf einer Veranstaltung bei der Friedrich-Ebert-Stiftung ihren Handlungsrahmen Berliner Schulbau 2026 vorgestellt. Hier das begleitende Papier.
Die Sicherung ausreichender Schulplätze in einer zeitgemäßen Qualität (Inklusion/Ganztag) sowie die nachhaltige Absicherung der notwendigen Sanierungsbedarfe im Schulgebäudebestand gehören zur prioritären Aufgabe der Berliner Politik sowohl auf Ebene der Bezirke als auch auf Ebene des Senats.
Rechnete man vor fünf Jahren in Berlin noch mit mittelfristig sinkenden Schülerzahlen, so wurde seit 2012/13 durch den Senat umgesteuert und erheblich in den Ausbau von Schulraumkapazitäten (u. a.Modulare Ergänzungsbauten (MEBs)) investiert und die Mittel des Schulanlagensanierungsprogramms verdoppelt. Für Schulsanierungen wurden über 1 Mrd. € in der laufenden Legislatur ausgegeben und Schulbau ist in der Investitionsplanung des Landes Berlin wieder Schwerpunkt.
Darüber gab es durch die Senatsbildungsverwaltung weitere Maßnahmen:
- der bislang fehlende Gesamtüberblick an Sanierungsbedarfen auf Basis einheitlicher Erfassungskriterien wurde Anfang 2015 eingefordert, gemeinsam erarbeitet und wird durch die Bezirke bis Ende Juni 2016 geliefert.
- die Fortschreibung der Schulentwicklungspläne wurde in mehrere Planungsrunden mit allen Bezirken in 2015 und 2016 betrieben, so dass standortgenau die zusätzlichen Schulraumbedarfe in den Bezirken zeitnah zu den neuen Bevölkerungsprognosen bis Juni 2016 ermittelt werden können.
- die bessere Ausstattung der bezirklichen Hochbau- und Schulämter mit zusätzlichem Personal im Rahmen der wachsenden Stadt Ende 2015/Anfang 2016 wurde unterstützt und durch den Senat umgesetzt
- die Erfahrungswerte in anderen Großstädten wie Hamburg und München wurden vor Ort besichtigt, systematisch ausgewertet, an die Berliner Gegebenheiten angepasst und in Modellansätzen zur Beschleunigung von Planungsverfahren umgesetzt.
Im Lichte der neuen Bevölkerungsprognosezahlen (Februar 2016) und deren Umrechnung auf Schülerzahlen (April/Mai 2016) erhöht sich der Handlungsbedarf jedoch zusätzlich: Innerhalb der kommenden 9 Jahre steigen die Schüler/innen/zahlen um ca. 25 % (ca. 86.000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler). Durch die Vorarbeiten und Vorläufe ist Berlin grundsätzlich gut aufgestellt, die Herausforderungen zu bewältigen. Allerdings müssen hierbei alle Akteure aufeinander abgestimmt Verantwortung übernehmen, Verfahren optimiert werden und Konsens über zusätzliche Sanierungs- und Baumittel organisiert werden.
Mit dem Handlungsrahmen Berliner Schulbau stellt sich die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft jenseits aller Zuständigkeiten dieser gesamtstädtischen Verantwortung und beschreibt sechs strategische Maßnahmenbereiche, die der Sicherstellung der genannten Ziele bis 2026 dienen.
I. Ressortübergreifende Steuerung: neue Taskforce Schulbau!
Die bisherigen Planungs- und Steuerungsmodelle sind dem Problemdruck in der Vergangenheit nur bedingt gerecht geworden und gewährleisten nicht die absehbar notwendige Koordinierungseffizienz über Bezirks- und Verwaltungsgrenzen hinweg. Es bedarf einer noch engeren Abstimmung innerhalb des Senats zwischen Senatsbildungsverwaltung, Senatsstadtentwicklungsverwaltung und der Senatsverwaltung für Finanzen sowie den Bezirken. Ziel ist die schnellstmögliche Identifizierung und Beseitigung von Engpässen/Hindernissen im Bereich Schulbau, die Ausrichtung auf ein gemeinsames Verständnis der Priorisierungen sowie eine abgestimmte Bedarfsermittlung bezüglich notwendiger Veränderungen bestehender Verwaltungsverfahren und Budgets.
- Hierzu wird auf Landesebene eine Taskforce Schulbau unter Federführung der Senatsbildungsverwaltung (SenBJW) eingerichtet, der Vertreter der Senatsverwaltung für Finanzen (SenFin) und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (SenStadt) angehören sowie zwei Vertreter der Bezirke. Die Taskforce tagt auf Staatssekretärsebene mit Arbeitsebene.
- Ergänzend hierzu wird SenBJW mit SenStadt gemeinsam in regelmäßigen Abständen zu einer gemeinsame Sitzung der Schul- und Baustadträte einladen, auf der die operativen Fragen im Bereich Schulsanierung und Schulbau besprochen werden.
- Die Einbindung weiterer Akteure wie Eltern, Schulen, Architekten, Kammern im Bereich Schulbau erfolgt durch die temporäre Facharbeitsgruppe Schulraum- qualität, die unter gemeinsamer Federführung von SenBJW und SenStadt Fragen der Raumgestaltung, Standards und Qualität berät (siehe hierzu Punkt VI.).
II. Sanierungsbedarf systematisch erfassen und transparent machen!
Die Zuständigkeit für Schulsanierung ist über zwölf Bezirke als Schulträger sowie SenBJW (bzw. die BIM als Dienstleister) als Schulträgerin für die zentralverwalteten Schulen verteilt. Eine zentrale Erhebung oder Übersicht der Sanierungsbedarfe an allen Schulen war bislang nicht möglich. Einheitliche Erfassungskriterien gab es nicht. Daher hat SenBJW Anfang 2015 darauf gedrungen, dass die Sanierungsbedarfe aller Schulen nach einheitlichen Kriterien erfasst werden und die Ergebnisse der bezirklichen Gebäudescans zusammengeführt werden, um die notwendigen Sanierungsmittel entsprechend bestimmen und ausrichten zu können sowie den Abbau der Sanierungsbedarfe auch nach außen hin für Schulen und Eltern transparent zu machen und in einer Mehrjahresplanung abzubilden. Die Voraussetzung für die seriöse Forderung nach zusätzlichen Sanierungsmitteln ist dabei jedoch an die Plausibilität und Validität der gemeldeten Bedarfe gebunden, so dass reine Schätzzahlen ausgeschlossen werden müssen. In einem dreistufigen Vorgehen strebt SenBJW daher mit den Bezirken ein Verfahren zur dauerhaften Erfassung des Sanierungsbedarfs an, auf dessen Basis künftig die Priorisierung der Schulsanierungsmaßnahmen erfolgt und die transparente Veröffentlichung der Sanierungsplanungen für möglichst jeden Schulstandort.
- Zusammenführung der Gebäudescans aller Bezirke und der zentralverwalteten Schulen bis Ende Juni 2016 (abhängig von den bezirklichen Datenlieferungen; Veröffentlichung ungeprüfter Rohdaten Anfang Juli 2016)
- Prüfung der Daten auf Plausibilität und Validität durch interne Prüfung SenBJW (in Abstimmung mit SenFin) und Stichproben externer Gutachter bis zum Herbst
- Anpassung geeigneter Software (der BIM) zur Erfassung und Fortschreibung der schulbezogenen Sanierungsdaten in Conject FM (Fortschreibung der Daten).
- Einbindung der Schulöffentlichkeit bei der Fortschreibung der Bedarfe durch jährliche Begehungen durch die Bezirke.
Durch die Prüfung der Datenzulieferungen durch SenBJW kommt es zu keiner Verzögerung in der Priorisierung der Sanierungsmaßnahmen für 2017, die bereits auf Basis der Gebäudescans erfolgen können. Die Validierung der Daten ist für die Haushaltsanmeldung zusätzlicher Mittel sowie die Mehrjahrespriorisierung der Maßnahmen ab 2017/18 erforderlich. Bereits mit dem Sanierungsprogramm 2017 soll mit dem Abbau des Sanierungsstaus begonnen werden.
III. Sanierungsbedarfe abbauen, Bauunterhalt nachhaltig absichern, Schulbudgets schaffen!
Die Sanierungsbedarfe teilen sich in einen aufgelaufenen Sanierungsstau an Berliner Schulen und in den dauerhaft notwendigen Bauunterhalt für Schulbauten. Obwohl der Senat in den letzten Jahren die Mittel für die Sanierung erheblich erhöht hat, hat sich in den Bezirken unstreitig ein (bezirklich sehr unterschiedlicher) Sanierungsstau aufgebaut. Um diesen wirksam abzubauen, muss das bereits verdoppelte Schulanlagensanierungsprogramm (SSP) tatsächlich zum Abbau des Sanierungsstaus eingesetzt werden und nicht zum regulären Bauunterhalt. Hierzu müssen die Mittel für den bezirklichen Bauunterhalt erhöht werden und zweckgerichtet den Schulen zugutekommen. Nur dann kann in einer 10-Jahresperspektive der Sanierungsstau wirksam aufgelöst werden, ohne dass sich durch unzureichende Mittel im Bauunterhalt neuer Sanierungsstau aufbaut.
- Der Sanierungsstau ist auf Basis der o. g. geprüften Gebäudescans zu bestimmen und mit einem ggf. erhöhten SSP-Programm innerhalb von 10 Jahren abzubauen. Sondermittel/Sonderprogramme sind dabei soweit möglich dem verstetigten SSP als Regelfinanzierung zuzuführen.
- Das Sanitärprogramm gewährleistet den Abbau des Sanierungsstaus aller Schultoiletten innerhalb der kommenden Legislatur.
- Beim bezirklichen Bauunterhalt muss eine dauerhafte Regelzuweisung von mindestens 1,2 % des Gebäudewerts und 1,3 % bei Schulgebäuden (höhere Abnutzung) sichergestellt werden. Dies entspricht einer deutlichen Erhöhung der zugewiesenen Mittel an die Bezirke.
- Die Bezirke müssen dazu verpflichtet werden, dass mindestens 70 % der Mittel aus dem Bauunterhalt in den Unterhalt für Schulgebäude fließen und Rücklagenbildungen vermieden werden.
- Die Erhöhung des Bauunterhalts und abschließende Mittelzuweisung ist davon abhängig zu machen, dass die gebäuderelevanten Daten durch die Schulträger in einer zentral vorgehaltenen (und finanzierten) Datenbank (BIM Conject FM) eingetragen und fortgeschrieben werden.
- Die Schulen sollen mittelfristig einen Teil der Mittel zum Bauunterhalt („Kleiner Bauunterhalt“) über eigene Schulbudgets selbst verwalten können. Hierzu kann der 2016 neu eingerichtete Verfügungsfonds ausgebaut werden. Bis Ende der kommenden Wahlperiode soll jede Schule hierzu über eine Verwaltungsstelle (kleinere Schulen ggf. anteilig) verfügen, wie dies bereits begonnen wurde.
- Zur Abwicklung der erhöhten Sanierungsmittel sowie der dezentralen schulischen Mittel des „kleinen Bauunterhalts“ benötigen die Bezirke trotz des bereits erfolgten Personalaufwuchses (2016/17 über 150 Stellen in Bau-/Schulämtern) zusätzliches Personal in den Bauämtern SenFin und SenStadt eine Verständigung über einen geeigneten Personalschlüssel je Bau-/Sanierungsvolumen zu erzielen.
IV. Sonderprogramm Schulneubau 2026 auflegen!
Der Senat hat bereits in den vergangenen 2 - 3 Jahren erhebliche zusätzliche Finanzmittel gesichert, die den wachsenden Kapazitätsbedarf decken sollen. Die bisherige Investitionsplanung 2015-2019 sieht Investitionsmittel in Höhe von 1,378 Mrd. € bis 2019 vor. Bereits bis 2018/19 werden rund 22.0 zusätzliche Schulplätze finanziert und realisiert worden sein.
Angesichts der o. g. neuen Dynamik, mit der noch mehr Schulplätze noch früher als erwartet benötigt werden, sind jedoch erhebliche zusätzliche Anstrengungen und Mittel notwendig. SenBJW hat hierzu in Planungsgesprächen mit allen Bezirken bis Ende Mai den zusätzlichen Schulraumbedarf in jeder Berliner Schulregion analysiert und werden die bis 2024/25 entstehenden Kapazitätsbedarfe standortgenau aufbereiten. Unabhängig von Abstimmungsbedarfen im Einzelnen ergibt sich in der Summe ein erheblicher zusätzlicher Schulraumbedarf, der nur mit einem Sonderbauprogramm gedeckt werden kann. Dieses muss sowohl finanziell mit substanziellen Mitteln ausgestattet sein, als auch durch Verfahrensbeschleunigungen (vgl. Punkt V.), eine effiziente Steuerung (vgl. Punkt I.) und eine zentrale Unterstützung der Bezirke als Schulträger begleitet werden.
- Bestimmung der standortgenauen Kapazitätsbedarfe durch SenBJW.
- Ausdifferenzierung der Bedarfe durch Zuordnung in kurzfristig notwendige Bedarfe (via MEB-Programm) und mittelfristig notwendige Bedarfe (via Neubau Schulgebäude) sowie Kalkulation der entsprechenden Finanzbedarfe bis 2026 und möglichen Finanzierungsinstrumente in Abstimmung mit SenFin und SenStadt.
- Priorisierung und Planungsvorbereitung aller Maßnahmen gemeinsam mit den bezirklichen Schulträgern bis Ende 2016.
- Übertragung der Erkenntnisse aus dem Modellprojekt Schulbaubeschleunigung (vgl. Punkt V.) in 2017 auf alle neuen Investitionsvorhaben Schulbau.
- Bis Ende 2016 Überarbeitung der AV SEP und ggf. auch Änderung AZG bzgl. Schulentwicklungsplanung mit dem Ziel der Stärkung der gesamtstädtischen Vergleichbarkeit und Steuerung.
V. Planungs- und Bauzeiten halbieren!
Die Planungszeiten für Schulbau sind in Berlin viel zu hoch. Zwischen der Feststellung des Bedarfs und der Fertigstellung einer Schule vergehen in Berlin acht bis neun Jahre. Dies ist grundsätzlich zu lang und entspricht keineswegs dem Bedarf einer dynamisch wachsenden Stadt wie Berlin. Um die notwendigen Kapazitätserweiterungen der kommenden Jahre in den benötigten Meilensteinen zu erreichen, war es zwingend, alle typischen Planungsabläufe in den Verwaltungen, Bezirken und parlamentarischen Gremien kritisch zu hinterfragen.
Der Senat hat daher am 31.05.2016 auf Vorschlag der SenBJW und in Abstimmung mit den Bezirken ein „Modellprojekt Schulbaubeschleunigung“ beschlossen, das bereits am 8.06.2016 im Hauptausschuss zustimmend beraten worden ist. Der Weg für das Modellprojekt ist somit frei.
- Steuerung des Modellprojekts auf Landesebene durch die Taskforce Schulbau (vgl. Punkt I.), auf bezirklicher Ebene durch planungsbegleitende Ausschüsse (unter Einbeziehung Akteure vor Ort).
- Zentrale Steuerung und Verausgabung der Planungsmittel bei SenStadt zur frühen Vergabe von Entwurfsskizzen an Architekten
- Verzicht auf mehrere Planungsunterlagen (frühe Kostensicherheit/VPU) und Erstellung einer Beschlussunterlage für alle Maßnahmen zur qualifizierten Vorlage im (neuen) Hauptausschuss Ende 2016/ Anfang 2017 (abhängig von Konstituierung) mit der Bitte um Freigabe der Mittel (I-Planung 2015-2019) sowie Beauftragung der Bauplanungsunterlagen.
- Ermittlung der ggf. notwendigen rechtlichen Anpassungsbedarfe zur Beschleunigung öffentlicher Bauaufgaben (insb. LHO) und parallele Beschlussfassung im Hauptausschuss.
- Sofern Zustimmung Hauptausschuss erfolgt, Übertragung der Verfahrensbeschleunigung auf alle neuen Schulbaumaßnahmen ab 2017 (vgl. Sonderprogramm Schulneubau Punkt IV.).
VI. Qualität und Beteiligung sichern!
Die Reichweite der geplanten Neubaumaßnahmen ist sowohl in quantitativer als auch qualitativer Hinsicht groß: die Art und Qualität der neuen Schulbauten wird sowohl das Stadtbild als auch die Lernqualität vor Ort langfristig prägen. Vor diesem Hintergrund wird SenBJW eine temporäre Facharbeitsgruppe Raumqualität einrichten, die eine breite Einbindung von Expertise (z. B. Architekten- und Baukammern, Schulleitungen, Schülervertretungen Elternvertretungen, Schulträger u. a.) gewährleistet. Dies betrifft sowohl die neuen Ausschreibungen von Ergänzungsbauten als auch die Konzeptionierung von Standardneubauten im Grund- und Oberschulbereich. Das Neubauprogramm wird auch die Raumstandards berücksichtigen (insb. Ganztag/Inklusion).
- Einrichtung einer Facharbeitsgruppe Schulraumqualität für Neubauten unter Federführung der SenBJW in enger Abstimmung mit SenStadt im Sommer 2016.
- Definition der räumlichen Anforderungen an Musterraumprogramme bei Neubauten und Standardmodule und -gebäudeentwürfe („Amtsentwürfe“) bis Ende 2016.