Welche Möglichkeiten haben Eltern/Sorgeberechtigte für Kinder oder Jugendliche mit Behinderung aufgrund der Kita- und Schulschließungen?

Wenn Eltern/Sorgeberechtigte es irgend ermöglichen können, nutzen Sie NICHT die folgenden drei Möglichkeiten, sondern versorgen Sie bitte Ihre Kinder zu Hause so gut es geht!

Denn: Jede diese Möglichkeiten verhindern den besten Schutz für

  • Ihre Kinder
  • Ihre Familien
  • Menschen mit Vorerkrankung (wie etwa Asthma, chronischer Bronchitis und vielem anderen)
  • die Großeltern und
  • andere Menschen in Ihrem Umfeld mit großer Wahrscheinlichkeit!

Wenn wirklich nichts Anderes geht, dann bestehen zur Not folgende drei Möglichkeiten:

Möglichkeit 1 oder Säule 1 - Jugendamt und individuelle Einzelfallhilfe

Wenn Eltern/Sorgeberechtigte die Betreuung nicht zu Hause absichern können:

Für Kinder und Jugendliche mit Behinderung kann über die Berliner Jugendämter (im Bezirk in welchem Ihr Kind gemeldet ist) eine so genannte Einzelfallhilfe (EFH) beantragt werden. Viele Familien kennen diese wertvolle Unterstützung bereits aus der Zeit ohne Corona. Gegebenenfalls kann diese Person auch mehr Stunden in Ihrer Familie leisten, während der fehlenden Schul- oder Kita-Zeit bei der Betreuung und Förderung Ihres Kindes helfen… oder Sie beantragen diese Unterstützung neu.

Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie hat hierfür folgende Information am 19.03.2020 an die Berliner Jugendämter gegeben:

„Soweit durch den Wegfall von Regelleistungen wie Kita und/oder Schule ambulante Hilfen (Hilfe zur Erziehung und/oder Eingliederungshilfe) für die Familie erforderlich werden, sind diese unbürokratisch und ggf. formlos schnellstmöglich umzusetzen. Hierbei kann - soweit die besondere Situation es erfordert, d.h. mangels anderer, rechtzeitig bereitstehender Leistungen - auch temporär auf Unterstützungsleistungen außerhalb der regelhaften Angebote der Eingliederungshilfe zurückgegriffen werden.“

Diese Information können Sie hier herunter laden:
pdficon large 2020-03-19_MAIL_SenJUG THF EGH FW_ Eilt ! Verfahren Bedarfe.pdf


Schritt für Schritt: Antrag und Unterlagen zum Download für Ihre Beantragung auf individuelle Einzelfallhilfe

      1. Ihr Antrag könnte so aussehen
        word logo Vorlage: Antrag ambultante Einzelfallhilfe an das Jugendamt als Word-Datei
        Bitte passen Sie diesen auf Ihre Gegebenheiten an, drucken Sie das Schreiben aus und unterschreiben es.

      2. Fragen Sie zum Beispiel den Leistungsanbieter Specialsitting GmbH nach Personalkapazitäten oder einen anderen Leistungsanbieter der Kinder- und Jugendhilfe in Berlin. Behinderungsspezifische Elternselbsthilfevereine (https://www.sekis-berlin.de/selbsthilfe/suche-nach-gruppen/?no_cache=1) können Ihnen hier ggf. weitere Anbieter benennen. Haben Sie jemanden gefunden? Dann senden Sie dorthin einen Link auf diese Seite des LEA, teilen dem Anbieter mit, dass Sie einen Antrag stellen wie hier beschrieben.
        In derzeitiger Ermangelung von weiteren Beispielen/ Rückinformationen zu freien Kapazitäten anderer Anbieter dient dieses Leistungsangebot der Orientierung und ist nicht als Werbung zu werten!

      3. Fügen Sie Ihrem Antrag (siehe 1.) zum Beispiel das Leistungsangebot der Specialsitting GmbH oder andere Leistungsanbieter bei.
        pdficon large Muster- bzw. Beispiel-Angebot (keine Werbung, siehe oben): Angebot-Brief-Specialsitting-GmbH_Angebot.pdf

      4. Fügen Sie Ihrem Antrag folgende Mustervereinbarung bei.
        word logo Muster: Vertrag zwischen Amt und Anbieter nach §123 SGB IX als Word-Datei
        Diese Mustervereinbarung schließen der Leistungserbringer und das Jugendamt miteinander ab, klären darüber die Kosten.

      5. Senden Sie Ihren angepassten Antrag mit dem Leistungsangebot des von Ihnen gewünschten Leistungserbringers sowie die Mustervereinbarung an das Jugendamt des Bezirkes in welchem ihr Kind wohnhaft gemeldet ist.

Möglichkeit 2 oder Säule 2 - Schulhelfer*innen kommen in die Familie

Wenn Eltern/Sorgeberechtigte die Betreuung nicht zu Hause absichern können und Säule 1 keine Möglichkeiten bietet:

Derzeit berät sich die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie derzeit, inwieweit die bekannten „Berliner Schulhelfer*innen“ für Kinder mit Förderbedarfen direkt in Ihre Familie kommen kann. Der Vorteil liegt auf der Hand: Ihr Kind kennt diese Person in den meisten Fällen dann bereits schon.

Der LEA informiert Sie hier auf dieser Seite, wenn für diese wertvolle Ressource in diesen schwierigen Zeit in der Senatsverwaltung eine Regelung gefunden wurde und wie Sie diese Unterstützung gemeinsam mit Ihrer Schule erhalten können.

Möglichkeit 3 oder Säule 3 - Notbetreuung in Schule

Wenn Eltern/Sorgeberechtigte die Betreuung nicht zu Hause absichern können und Säule 1 & 2 keine Möglichkeiten bieten:

Besonderen Anspruch auf Notbetreuung in Schulen haben Kinder und Jugendliche mit den sonderpädagogischen Förderbedarfen "Geistige Entwicklung", "Körperliche und motorische Entwicklung" und "Autismus" mit der so genannten Förderstufe II,

  1. wenn ein Elternteil einen systemrelevanten Beruf ausübt oder es sich um einen alleinerziehenden Elternteil handelt (siehe Detail der aktuelle Festlegungen zu den systemrelevanten Berufen: https://www.rbb24.de/politik/thema/2020/coronavirus/beitraege/berlin-senat-notfallbetreuung-kinder-corona-regeln-gelockert-systemrelevant.html)
  2. und darüber hinaus besteht ein Anspruch auf eine Notbetreuung, unabhängig davon ob die Eltern einer systemrelevanten Berufsgruppe angehören, wenn etwa die Behinderung des Kindes eine Notbetreuung in der Schule erfordert.

Bitte bedenken Sie das Risiko einer Notbetreuung in den Schulen, nutzen Sie sie nur, wenn keine andere Möglichkeit besteht!

Wir raten dringend dazu, vor dieser Inanspruchnahme sicherzustellen, dass ausreichend Desinfektionsmittel in den Schulen vorhanden sind. Bitte fragen Sie vorher in der Schule ihres Kindes nach oder, sofern notwendig und möglich, helfen Sie hier selbst bei der Versorgung durch entsprechende Mittel, wenn Sie dazu die Möglichkeit haben.

Die Förderstufenzuordnung finden Sie in Ihrem Bescheid über den Sonderpädagogischen Förderbedarf Ihres Kindes.

Notbetreuung ist im Übrigen für die Jahrgangsstufen 1 bis 12 zu gewährleisten.

Sollte Ihr Kind diese Zuordnung nicht haben, Sie aufgrund der Behinderung des Kindes dennoch eine große Not haben, sind Einzelfalllösungen mit den Schulen zu finden bzw. in jedem Fall bietet Möglichkeit 1 oder Säule 1 die sichere Betreuungslösung!

Download des 1. Informationsschreibens an Schulen vom 17.03.2020
pdficon large Infoschreiben Schulleitung.pdf

Aktualisierung der Senatsverwaltung Bildung vom 22.03.2020

Hier wird geregelt, dass eine weitere Hürde für Eltern sein muss. Schulen müssen nun die Schulaufsichten einbeziehen, wenn Eltern die Notbetreuung beantragen. Beschwerden zu abgelehnten Anträgen bitte an die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie direkt richten. Kontakt: https://www.berlin.de/sen/bjf/service/qualitaets-und-beschwerdemanagement/

Es wird in dieser Aktualisierung auch klargestellt, dass „vergleichbare Behinderungen“ außerhalb der Förderstufe 2 einen Anspruch haben können.

Download 2. aktualisierten Informationsschreiben an Schulen vom 22.03.2020

pdficon large Infoschreiben Schulleitungen2.pdf

Anspruch auf Notbetreuung auch in den Ferien

Auch diese muss gewährt werden, sofern es der individuelle Bedarf erfordert. Die Senatsverwaltung formuliert dies offiziell so: „Die Notbetreuung in Schulen wird bei vorliegendem Bedarf in der Zeit von 6 Uhr bis 18 Uhr angeboten. Dies gilt auch in der Zeit der Ferien.“ (Quelle: https://www.berlin.de/sen/bjf/coronavirus/aktuelles/notbetreuung/)

 

Der LEA bittet die Schulen, NICHT auf andere Leistungen zu verweisen, wenn Eltern sich in diesen Zeiten mit einem nachvollziehbaren Bedarf an Schule wenden. Übrigens haben auch Eltern mit Grundsicherung (wie ALG II) diesen Anspruch, denn die schwere der Behinderung des Kindes kann eine anderweitige Versorgung außerhalb der Familie in Schulen erfordern, Eltern sind nicht abzuweisen!

Der LEA bittet die Jugendämter, NICHT auf andere Leistungen wie Notbetreuung in Schulen zu verweisen – sie ist die letzte Möglichkeit und zudem mit dem höchsten Risiko verbunden, statt 1:1 Hilfe in der Familie, am Kind!

 

Weitere hilfreiche Informationen:

Das bundesweite Kindernetzwerk e.V. stellt weitere wertvolle Informationen für Eltern von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung zur Verfügung. Dort häufen sich Fragen, die auch uns Eltern hier in Berlin bewegen wie: „Anfragen zu Notbetreuung, unbezahlte Freistellung, medizinische Versorgung usw.“
Hier finden Sie ggf. weitere Hinweise dazu: https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/News/2020/27-Coronavirus.php

Wie erklärt Ihr Euren Kindern was derzeit geschieht?
Die Stadt Wien hat ein einfaches Video für Kinder erstellt „Das Corona Virus Kindern einfach erklärt“, und wird bereits millionenfach geklickt: https://www.youtube.com/watch?v=_kU4oCmRFTw

Außerdem sind auch Kindersuchmaschinen eine Hilfe um leichte Erklärungen zu finden. Beliebt sind: fragFINN, Blinde Kuh, Helles Köpfchen, Kindex, Logo (ZDF)

Oder diese kleine Geschichte in leichter Sprache zum Download
pdficon large zuhause-leichte-sprache.pdf

Für Kinder mit stark herausforderndem Verhalten, die trotz Kontaktsperre und schwieriger Situationen täglich Frischluft und ausgiebige Bewegung brauchen, ist hinsichtlich der Bewegungsmöglichkeiten draußen ggf. auch ein Schreiben eines Kinderarztes/Kinderärztin möglich. Ein Beispiel hier zum Download

word logo Beispiel: Arzt Ausnahmegenehmigung Kontaktsperre als Word-Dokument
pdficon large Beispiel_Ausnahmegenehmigung_Kontaktsperre.pdf

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Verfasser*innen:
Frank Heldt (LEA AG Inklusion) und Stephanie Loos (Landesbeirat f. Menschen mit Behinderung, Landesjugendhilfeausschuss Berlin, Fachbeirat Inklusive Schule, Berliner Elternselbsthilfe, …)