Liebe Eltern,
wir alle haben in den letzten drei Wochen viel durchgemacht und unser Leben wurde auf den Kopf gestellt. Wir mussten uns völlig neu organisieren und die Schule fand plötzlich zu Hause statt. Für viele von uns war das aus familiären Gründen, aus Platzmangel, wegen der zu geringen oder nicht vorhandenen technischen Ausstattung und aus weiteren Gründen eine große Herausforderung. Dabei ist es völlig verständlich, wenn etwas nicht so gelingt, wie man es sich wünscht oder erwartet. Trotzdem haben wir wahrgenommen, dass es oft gelungen ist und auch der Austausch untereinander und Impulse von außen dabei geholfen haben. Hierfür sollten wir uns alle mal kurz die Zeit nehmen, um uns auf die Schulter zu klopfen und uns zu sagen, dass wir das gut gemacht machen!
Neben dem Dank an uns selbst, möchten wir als Landeselternausschuss Schule den bereits im Schreiben der Senatorin vom 31. März 2020 auch unsererseits ausgesprochenem Dank nochmal direkt bekräftigen: Was das pädagogische und nicht-pädagogische Personal an den Schule, aber auch die Menschen in den Bezirks- und Senatsverwaltungen mit Blick auf die Organisation von Notbetreuung, Fernunterricht usw. geleistet haben, ist enorm. Ein besonderer Dank geht an die Hausspitze der Senatsbildungsverwaltung. Hier gibt es nicht nur einen regelmäßigen Austausch in Form von Telefonkonferenzen, sondern auch sofortige Handlungsbereitschaft für auftretende Probleme und unsere Empfehlungen werden aufgenommen. Ebenfalls ein besonderer Dank an das Team vom Lernraum Berlin. Ohne sie wäre alles noch viel schwieriger bei der Umsetzung von Fernunterricht.
Auch wir als Gremium haben unsere Arbeit komplett in den digitalen Raum verlegt und unsere letzten beiden Gremiensitzungen als kombinierte Video- und Telefonkonferenzen durchgeführt. Daher möchten wir an dieser Stelle auch die Gremien in den Bezirken und an den Schulen ermutigen, diesen Weg des Austausches zu suchen.
Wir haben seit der Schulschließung über 1.500 Mails erhalten, beantwortet und knapp 40 Informationsmails über unsere Verteiler verschickt. Wir haben alle Informationen der Senatsbildungsverwaltung auch auf unserer Internetseite veröffentlicht, die sozialen Medien bedient und auch hier zahlreiche Fragen beantwortet. Dazu kommen noch einige hundert Telefonate. Mittlerweile eine ehrenamtliche Vollzeitbeschäftigung.
Festzuhalten bleibt, dass die Schulen sehr unterschiedlich mit der Schulschließung und dem Thema Fernunterricht/Homeschooling umgegangen sind. Einige Schulen haben die Schüler*innen für drei Wochen komplett analog mit Aufgaben in Form von Arbeitsblättern und Verweisen auf Aufgaben in Büchern und Arbeitsheften versorgt, andere Schulen haben ihre Aktivitäten im Lernraum Berlin verstärkt oder aufgebaut bzw. auf eigene Cloud-Lösungen gesetzt. Ganz besonders hervorzuheben sind die Schulen, die eigene Lernvideos produziert, Unterricht über Videokonferenzen organisiert und andere interaktive Formate gefunden haben.
Aufgefallen ist dabei, dass sich beim digitalen Unterricht die Schere der Chancengleichheit leider weiter geöffnet hat. Schüler*innen ohne Internetanschluss oder Drucker, ohne eigenes Endgerät oder der Notwendigkeit die wenigen vorhandenen Geräte mit den Eltern im Homeoffice oder den Geschwistern teilen zu müssen, sind von digitalen Lernformen abgehängt. Vielen Schulen war das bewusst und so wurden analoge Materialien zur Abholung bereitgestellt oder per Post verschickt.
Die Kommunikation zwischen den Familien und der Schule klappt in den meisten Fällen gut. Lehrkräfte sind per E-Mail, Telefon, über Chat- und Videosprechstunden erreichbar.
Trotzdem gibt es noch Fragen und Themen, die ungelöst sind und andere Themen, die weiter verbessert werden können. Auf Basis unserer eigenen Auswertung der zahlreichen Rückmeldungen und Diskussionen der letzten Tage positioniert sich der Landeselternausschuss Schule wie folgt:
Prüfungen zum Abitur
Wir halten eine bundesweit einheitliche Lösung zum Abitur für zwingend notwendig. Einzellösungen zum Nachteil der Berliner Schüler*innen in Bezug auf die Immatrikulation in anderen Bundesländern darf es nicht geben. Wir teilen die vielfach geäußerten Sorgen der Schüler*innen und Eltern, ob die Prüfungen unter den gesetzten Rahmenbedingungen ohne Nachteile durch die aktuelle Pandemie-Situation regulär stattfinden können.
Die Kultusministerkonferenz muss deshalb am 14. April die deutschlandweit geltende Durchführung der Abiturprüfungen erklären, andernfalls deren Absetzung und eine ersatzweise Anerkennung des Abiturs mittels Notendurchschnitts beschließen.
Falls die KMK an der Durchführung der Prüfungen festhält, fordern wir:
- Es muss eine Gefährdungsbeurteilung und Machbarkeitsanalyse aus Sicht des Infektionsschutzes geben, aus der hervorgeht, dass die von Bundesland zu Bundesland teils unterschiedlichen Regelungen zur Vermeidung von Ansteckungen sicher sind und an allen Schulen umgesetzt werden können.
- Die Regelungen für Schüler*innen, die selbst zur Risikogruppen gehören und für die Einzellösungen ermöglicht werden, müssen auf die Schüler*innen ausgeweitet werden, deren Familienangehörige ebenfalls zu Risikogruppen gezählt werden. Außerdem muss es diesen zu Prüfenden freigestellt sein, ob siean den Prüfungen teilnehmen oder ob das Abitur aufgrund der Jahrgangsnoten ermittelt wird.
- Die Teilnahme am Hauptprüfungstermin soll flexibel gehandhabt werden. Den Schüler*innen ist freizustellen, ob sie an diesem oder dem ersten Nachschreibetermin teilnehmen wollen.
- Im Falle eines Anerkennungs- bzw. Durchschnittsabiturs ist Schüler*innen trotzdem die Gelegenheit zum Ablegen von Prüfungen zu geben. Wir haben hierbei die Schüler*innen im Blick, deren Jahrgangsnoten nicht die besten sind, die für sich selbst aber einen besseren Abschluss mittels Prüfung erwarten.
- Die Prüfungsergebnisse könnten unter den Rahmenbedingungen der Vorbereitung und der persönlichen Belastung in Zusammenhang mit den Verordnungen zur Eindämmung des Coronaviruses schlechter ausfallen als in den Vorjahren. Sollte das eintreffen, braucht es Regelungen, wie damit umgegangen wird, denn einvernehmlich heißt es aus der KMK, dass den Schüler*innen aus der Situation kein Nachteil entstehen darf.
MSA-Prüfungen
Die MSA-Prüfungen sollen für dieses Schuljahr nur für die Schüler*innen abgehalten werden, die nach der 10. Klasse die Schule abschließen bzw. nicht in die Oberstufe versetzt werden. Hierbei sollen die gleichen Grundsätze gelten (Risikogruppen, ausreichende Vorbereitungszeit) wie bei den Abiturient*innen. Für die Schüler*innen, die in die Oberstufe versetzt werden, soll für das Schuljahr 2019/2020 die Versetzung ausreichen, um den MSA zu erteilen. Alternativ kann die Erteilung des MSAs mit Berechtigung des Zugangs zur gymnasialen Oberstufe analog zur Verordnung über die gymnasiale Oberstufe § 8 “Auslandsaufenthalt” (http://gesetze.berlin.de/jportal/?quelle=jlink&query=GymOstV+BE+%C2%A7+8&psml=bsbeprod.psml&max=true) erfolgen.
Schulbetrieb ab dem 20. April
Wir gehen davon aus, dass die Schulen nur schrittweise und nach Jahrgängen gestaffelt wieder zum Normalbetrieb übergehen können. Schichtbetrieb und Fernunterricht werden den Schulalltag aus Infektionsschutzgründen zwangsweise noch länger begleiten.
Daher ergeben sich aus unserer Sicht folgende Notwendigkeiten:
1. Mindeststandards für Fernunterricht
Durch die Auswertung vorhandener Best-Practice-Beispiele vor den unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Lehrkräfte und Schüler*innen, ist ein Mindeststandard durch die Senatsbildungsverwaltung zu definieren, auf welche Art und Weise der Fernunterricht erfolgen soll. Zum einen ist es notwendig, dass die Lehrkräfte sich untereinander bzgl. des Umfangs der Aufgabenverteilung abstimmen und zum anderen, dass die Schüler*innen ausreichende und zeitnahe Rückmeldungen zu den gelösten Aufgaben erhalten. Die Fächer Kunst, Musik und Sport gehen beispielsweise momentan unter, es werden oftmals überhaupt keine Aufgaben erteilt.
2. Konzepte für die verlorene Unterrichtszeit und Wiedereröffnung der Schulen
Wir erwarten von der Senatsbildungsverwaltung Konzepte, wie die verlorene Unterrichtszeit für die unterschiedlichen Jahrgänge nachgeholt wird und wie der Unterrichtsbetrieb an den Schulen wieder hochgefahren werden soll. Hierzu ist u.a. die Berliner Expert*innen-Kommission rund um Prof. Dr. Olaf Köller zu befragen und die Empfehlungen der Verbände sollen berücksichtigt werden.
Wie allseits bekannt, kämpften die Berliner Schulen auch schon vor der Corona-Krise mit erheblichen Problemen, den Unterrichtsstoff der Hauptfächer wie Mathematik nachhaltig und erfolgreich zu vermitteln. Was nicht vermittelt und gelehrt werden kann, hinterlässt nur noch schwer zu schließende Bildungslücken, spätestens beim Übergang auf die Sekundarstufen.
Von daher sehen wir es als unbedingt notwendig an - sobald die Pandemie-Situation beherrscht wird - dass
- mit Blick auf den Rahmenlehrplan und schulinterne Curricula zu prüfen ist, welche Inhalte weitestgehend schadlos weggelassen werden können,
- Lernstandserhebungen für die Schüler*innen durchzuführen sind, um eventuell Verpasstes und noch nicht Vermitteltes in Form von (verbindlichen) Sommerschulen in den großen Ferien aufzuholen ist,
- in den ersten zwei Wochen nach Wiederaufnahme des Lehrbetriebs keine Klassenarbeiten, Klausuren oder andere schriftliche Leistungstests durchgeführt werden,
- besonderes Augenmerk auf die Schüler*innen zu legen ist, die im kommenden Schuljahr ihr Abitur oder ihre MSA ablegen werden. Hier ist es fraglich, ob der zu lernende Stoff in der Zeit aufgeholt werden kann, denn insbesondere in den Leistungskursen fehlt nun bereits ein ganzer Block!
3. Kommunikation / Zusammenarbeit Eltern und Schule
Zahlreiche E-Mails an uns berichten von Überlastung, Druck und anderen schwierigen Situationen durch die Bearbeitung von Aufgaben zu Hause. Wir schließen uns hier vielen Meinungsäußerungen von Expert*innen der letzten Wochen an, dass Eltern keine „Ersatzlehrkräfte“ sind. Empfohlen wird, dass Eltern, Erziehungs- und Sorgeberechtigte die Aufgaben auch einfach liegen lassen können, wenn es zu Konflikten kommt. Bitte geben Sie den Lehrkräften eine Rückmeldung, wenn es zu viele Aufgaben sind. Nur so können die Lehrkräfte einschätzen, was gebraucht wird.
Die Senatsbildungsverwaltung muss eine verlässliche Kommunikation zwischen Lehrkräften, Schüler*innen und Eltern regeln. Alle Lehrkräfte müssen während der sonst üblichen Arbeits- bzw. Schulzeit, bestenfalls von 8 Uhr bis 16 Uhr für die Schüler*innen erreichbar sein. Kein*e Berliner Schüler*in darf dadurch benachteiligt werden, dass Lehrer*innen die direkte Kommunikation verweigern. Wer seine Telefonnummer nicht herausgeben möchte, möge sich bitte ersatzweise eine Prepaid-Karte zulegen. Lehrkräften, die sich der Kommunikation grundsätzlich verweigern, mögen die Schulleitungen bitte einen Arbeitsplatz an der Schule zuweisen.
Zusätzlich sollten die Lehrkräfte an den weiterführenden Schulen von sich aus täglich mit ihren Schüler*innen den Kontakt suchen (per E-Mail, Messenger-Dienste), um sie bei der Bearbeitung ihrer Arbeitsaufträge zu unterstützen.
Sollte es Probleme in der Erreichbarkeit geben, soll von der Senatsbildungsverwaltung eine Hotline eingerichtet werden, an die sich die Eltern wenden können. Bis dahin kontaktieren Sie bitte die Schulaufsichten, wenn Sie über die Schulleitung nicht weiterkommen bzw. die Schulleitungen auch nicht erreichen können. Hier die entsprechenden Daten für die jeweiligen Bezirke:
Charlottenburg-Wilmersdorf
Simone Geisler
(030) 9 02 92 51 02
Friedrichshain-Kreuzberg
Gabriela Anders-Neufang
(030) 9 02 98 36 22
Lichtenberg
Martina Roth
(030) 90 21 47 00
Marzahn-Hellersdorf
Michael Buza
(030) 9 02 93 29 51
Mitte
Detlev Thietz
(030) 9 01 82 60 61
Neukölln
Markus Pieper
(030) 9 02 39 25 31
Pankow
Susanne Füllgraf
(030) 9 02 49 10 07
Reinickendorf
Dirk Wasmuth
(030) 9 02 49 19 00
Spandau
Ute Lehmann
(030) 9 02 79 25 38
Steglitz-Zehlendorf
Heike Waldschütz
(030) 9 02 99 50 31
Tempelhof-Schöneberg
Matthias Goldbeck-Löwe
(030) 9 02 77 64 92
Treptow-Köpenick
Manuela Seidel-Nick
(030) 9 02 49 22 15
4. Benotung/Leistungsbewertungen
Zu Hause erbrachte Leistungen dürfen nur bewertet werden, wenn sie zu einer Leistungsverbesserung führen. Es wird vielfach erwartet, dass die Schüler*innen trotz der unterschiedlichen Bedingungen zu Hause die gleichen Aufgaben erbringen, zur gleichen Zeit abgeben sollen und die gleichen Bewertungsmaßstäbe dafür angesetzt werden. Das darf nicht sein!
5. Notbetreuung
Die Notbetreuung muss weiter organisiert werden. Die Senatsbildungsverwaltung wird aufgefordert zu prüfen, ob alle für den Schulbetrieb notwendigen pädagogischen und nicht-pädagogischen Fachkräfte in den Regelungen für die Notbetreuung bei der Zwei- und Ein-Eltern-Regelung berücksichtigt sind. Gleiches gilt für die notwendigen Fachkräfte bei Trägern im Kinderschutzbereich bei Wohngruppen.
Bildungsgerechtigkeit
Die soziale Schere ist durch die Zäsur der derzeitigen Pandemie weiter verschärft worden.
Tausende von Schüler*innen verfügen über keinen Internet-Zugang, keine/zu wenig digitale Endgeräte und sind so von der Kommunikation abgeschnitten. Aus diesem Grund braucht es dringend Lösungen z. B. über die Öffnung des Bildungs- und Teilhabepaketes, um Geräte mit Tastatur anzuschaffen oder der Aufbau eines Pools mit Leihgeräten.
Einzelne Bezirke, beispielsweise Neukölln, haben bereits zur Spende von Geräten aufgerufen, damit bedürftige Schüler*innen versorgen werden können.
In diesem Punkt erwartet der LEA Berlin die schnelle, konstruktive und unbürokratische Unterstützung durch die Senatsbildungsverwaltung.
Ausblick
Die Corona-Pandemie ist auch eine Chance die Bildung in Berlin einen großen Schritt voranzubringen. Der Rückstand in der Umsetzung der digitalen Bildung ist durch diesen „Sprung ins kalte Wasser des Fernunterrichts“ mehr als deutlich geworden.
In dieser Krise sin die Kommunikationswege breiter und vielfältiger geworden. Die digitale Bildung und somit auch der „Lernraum Berlin“ haben einen deutlichen Schub nach vorn erhalten.
Die Vorteile von außerschulischem, selbständigem und selbstbestimmtem Lernen konnten, dank kreativer und engagierter Pädagog*innen, von den Schüler*innen entdeckt und ausprobiert werden. Diesen Weg gilt es auch in Zukunft auf- und auszubauen.
Das Wichtigste zum Schluss: Kinderschutz
Die Schule als Schutzraum fehlt momentan gänzlich. Die entsprechenden Meldungen der Schulen zu Kindeswohlgefährdungen sind dementsprechend gegen Null zurückgegangen. Gleichzeitig sind aber Meldungen durch Nachbarn oder andere Beobachter*innen gestiegen.
Bitte haben Sie als Nachbarschaften auch offene Augen und Ohren und melden Sie verdächtige Vorkommnisse unter (030) 610066.
Kinder, Eltern, Erziehungs- und Sorgeberechtige finden Hilfe unter
https://www.berlin.de/sen/bjf/coronavirus/aktuelles/familien/#angebote.
Lassen Sie sich helfen, wenn Sie Hilfe benötigen.
Bleiben Sie gesund.
Mit freundlichen Grüßen
Norman Heise