Drucksache 16 / 14 378

Kleine Anfrage

16. Wahlperiode

Kleine Anfrage

des Abgeordneten Özcan Mutlu (Bündnis 90/Die Grünen)

vom 28. April 2010 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Mai 2010) und Antwort

 

 

 

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:

 

 

1. Welche Musterraumprogramme verwendet der Senat zur Berechnung der Raumkapazitäten für die unter-schiedlichen Schularten in Berlin und was sind die Grundlagen und konkreten Kriterien für die Raumprogramme der jeweiligen Schulart?

 

2. Welche konkreten Rahmenrichtlinien werden der jeweiligen Berechnung der Raumfläche für die unterschiedlichen Schularten zu Grunde gelegt und wo sind diese veröffentlicht?

 

Zu 1. und 2.: Als Handlungsempfehlung für den Neubau sowie Erweiterung und Umbau von Schulen und zur Gewährleistung berlinweit einheitlicher Mindeststandards werden auf Basis der Stundentafeln, curricularer Anforderungen, des Betreuungsbedarfs und zur Gewährleistung der im Rahmen der Zumessungsrichtlinien möglichen Unterrichtsorganisation sowie sonstiger pädagogischer Anforderungen Musterraumprogramme entwickelt.

Wegen der vergleichsweise geringen Anzahl von Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt und deren teilweise sehr spezifischen Anforderungen werden für diese Schulen keine Musterraumprogramme entwickelt. Gleiches gilt für berufliche Schulen. Die für diese Schulen zu sichernden Bedingungen leiten sich aus den spezifischen Erfordernissen, die sich aus dem jeweiligen Förderschwerpunkt bzw. Berufsfeld ergeben, ab. Bei Baumaßnahmen werden jeweils Einzelfallentscheidungen getroffen.

 

 

3. Wie wird die Einhaltung der Vorgaben des Musterraumprogramms gewährleistet und durch wen geprüft?

 

Zu 3.: Bei den Musterraumprogrammen handelt es sich um Handlungsempfehlungen, deren Einhaltung bei der Erstellung von Bedarfsprogrammen und Bauplanungsunterlagen geprüft wird - bei Maßnahmen unter 5,5 Mio. € in eigener Verantwortung durch die Bezirke. Bei größeren Schulbauvorhaben prüfen die Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung sowie für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Für die Raumnutzung ist jedoch kein Einheitskonzept für alle Einrichtungen verbindlich; den vielfältigen Formen von „eigenverantwortlicher Schule“ wird innerhalb des Musterraumprogramms mit zahlreichen Gestaltungsfreiräumen entsprochen, die im Sinne des jeweiligen pädagogischen Profils genutzt werden können. Dies gilt insbesondere bei Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden. Dabei müssen die Standards der Musterraum-programme mit der jeweiligen spezifischen Gebäudesituation abgeglichen werden. Es kann vorkommen, dass einzelne Raumtypen, die für die pädagogische Konzeption der Schule erforderlich sind, nicht oder nur unzureichend vorhanden sind. In einem solchen Fall obliegt es dem Schulträger, die entsprechenden Räumlichkeiten zu schaffen und einzurichten, entweder durch organisatorische oder durch bauliche Maßnahmen.

 

 

4. Wie viel Fläche steht pro Schüler/ -in für den a.) Pausenhof b.) Klassenraum c.) Freizeitbereich tatsächlich zur Verfügung und wie viel Fläche müsste gemäß Muster-raumprogramm pro Schüler/ -in vorhanden sein? (bitte sortiert nach Schulart und den jeweiligen Bereichen)

 

Zu 4.: Für den Neubau von Schulen enthalten die Musterraumprogramme auch Empfehlungen für die Größe der Pausen- und Freiflächen, für Schülerarbeitsgärten, Fahrradständer, Sportanlagen etc.. Diese lassen sich jedoch nur auf Standorten realisieren, die über ausreichend große Flächen verfügen. In innerstädtischen Bereichen und bei eingeschränkten Flächenressourcen sind die Vorgaben weder bei Neubau noch bei Um- und Erweiterungsmaßnahmen umsetzbar. In diesen Fällen muss unter Berücksichtigung der pädagogischen Konzeption und in Zusammenarbeit mit der Schule eine tragfähige Lösung entwickelt werden Für Klassenräume wird beim Neubau eine Größe von 60 - 65 m2 empfohlen. Dem liegt ein Richtwert von 1,7 - 2,0 m2 pro Platz, eine maximale Belegung von 30 Plätzen sowie eine Fläche für Garderoben innerhalb des Raums zu Grunde (aktuelle Frequenz Schulanfangsphase 23 - 25, Integrierte Gesamtschule 25). Bei Einpassungen in bestehende Gebäude werden unter Berücksichtigung der jeweiligen Frequenzen (Klassenverband oder Teilungsgruppen) Unterrichtsräume zwischen rd. 40 und 65 m2 für Lerngruppen genutzt. Vereinzelt kann auch die Möglichkeit bestehen, dass ein optimaler Raumzuschnitt kleinere Räume zulässt. Zu berücksichtigen sind bei Einpassungen im Bestand grundsätzlich immer die realen Strukturen des Raums, d.h. auch Belichtung, Belüftung (Raumhöhe) etc.

Die Ausstattung der Schulstandorte mit Kleingruppenräumen, die z.B. für Teilung und Differenzierung erforderlich sind, ist ausgesprochen unterschiedlich; insbesondere ältere Gebäude weisen in diesem Punkt häufig Defizite auf. Sofern solche Raumstrukturen nicht vorhanden sind, sollte der Standort individuell auf die vorhandenen Möglichkeiten hin untersucht werden und fehlende Gruppenräume z. B. durch Umwidmung und/ oder Verlagerung von untergenutzten Nebenräumen, durch Aufgabe von Nutzungen, die nicht zwingend erforderlich sind, durch Abtrennung überdimensionierter Verkehrsflächen oder durch Aufteilung größerer Räume geschaffen werden.

Auch bei den Empfehlungen für den Freizeitbereich ist zwischen Neubauten und bestehenden Gebäuden zu differenzieren.

Wesentlich für die Gestaltung des Freizeitbereichs sind die pädagogischen Rahmenbedingungen. Sowohl die gebundene als auch die offene Ganztagsgrundschule unterscheiden sich hinsichtlich der Raumstrukturen und Raumnutzungen und auch bezüglich der Freiflächen von der traditionellen Halbtagsschule. Ganztagsschulen müssen so konzipiert werden, dass sich die Kinder und die Erwachsenen dort den ganzen Tag wohl fühlen und miteinander leben, arbeiten und lernen können. Der gesamte Standort sollte daher mit all seinen räumlichen Angeboten ganztägig nutzbar sein. Die Trennung, vormittags Unterrichtsräume - nachmittags Betreuungsräume, sollte bei Ganztagsschulen aufgehoben werden und die vormittäglichen und nachmittäglichen Bildungsangebote aufeinander bezogen sein.

Wünschenswert sind verschiedene Arten von „Freizeit“: die klassengebundene Freizeit, welche die Schülerinnen und Schüler ggf. in ihrer aus dem Unterricht gewohnten Gruppenstruktur verbringen, die kursgebundene Freizeit, in der sie sich für einen inhaltlich festgelegten klassen- und jahrgangsübergreifenden Kurs (z.B. Theater spielen, Radfahrtraining, Keramik etc.) entscheiden und die ungebundene Freizeit, die die Schülerinnen und Schüler spontan an verschiedenen Orten (z.B. Bibliothek, PC-Werkstatt, Entspannungsraum) selbstbestimmt gestalten können. Welche Form am jeweiligen Ort am besten passt, muss die jeweilige Schule unter Berücksichtigung der jeweils vorgegebenen äußeren Rahmenbedingungen selbst entscheiden.

Das Musterraumprogramm gibt daher nur den groben Rahmen vor. Darin wird vorgeschlagen, bestimmte Flächen (z.B. Stammklassenräume) ausschließlich für den Unterricht zu nutzen. Darüber hinaus enthält das Programm Empfehlungen für die Bereiche, die ganztägig genutzt werden sollten (z.B. Fachraum Schülerwerkstatt, Multi-Medien-Zentrale, Bibliothek, Sporthalle).

 

 

5. Sind bei den angeführten Berechnungen Ruheräume für die Schüler/-innen eingeplant?

a.) Wenn ja, wie viele qm pro SchülerIn?

b.) Wenn nein, warum nicht?

 

Zu 5.: Nach dem Grundschul-Musterraumprogramm wird empfohlen, einen Gruppen- bzw. Betreuungsraum als Ruheraum vorzuhalten und entsprechend auszustatten. Ob darüber hinaus ggf. Bedarf vorhanden ist, muss vor Ort unter Berücksichtigung der altersspezifischen Belange der jeweiligen Schülerinnen und Schüler entschieden werden.

 

 

6. Sind bei den oben angeführten Berechnungen Arbeitsräume für das pädagogische Personal der Schule eingeplant?

a) wenn ja, wie viel Fläche pro Pädagoge/in oder Lehrkraft?

b) wenn nein, warum nicht?

 

Zu 6.: Sowohl das Musterraumprogramm für Grundschulen als auch das für Integrierte Sekundarschulen empfehlen Arbeitsräume für das pädagogische Personal der Schule. Für den Aufenthalt des pädagogischen Personals der Integrierten Sekundarschule werden z.B. ca. 2,5 m2 pro Person empfohlen sowie darüber hinaus die Schaffung von Flächen für Lehrereinzelarbeit, Beratung und Sozialarbeit.

 

 

7. Sind bei den oben angeführten Berechnungen Mensaplätze für das Mittagessen in der Schule eingeplant und wenn ja, wie viel Fläche pro Essensplatz?

 

Zu 7.: Die Größe des Essensraums beträgt mindestens 1,2 m2/Platz, wobei von drei Essensdurchgängen pro Tag ausgegangen wird. Für die Essensausgabe werden Raumgrößen von 30 - 40 m2 vorgeschlagen.

 

 

8. Wie wirkt sich die Schulstrukturreform auf die Raumvorgaben aus?

 

Zu 8.: Die Musterraumprogramme für Integrierte Sekundarschulen und Gymnasien wurden unter Berücksichtigung der unter 1. und 2. genannten Grundlagen überarbeitet; die für Haupt-, Real- und Gesamtschulen werden durch Wegfall dieser Schularten obsolet. Bezüglich der grundsätzlichen Standards, d.h. der Größe allgemeiner Unterrichts- und Fachräume, der Verwaltungstrakte etc. wurden keine wesentlichen Änderungen vorgenommen.

Bei den Integrierten Sekundarschulen handelt es sich um Ganztagsschulen. An möglichst allen Gymnasien sollen zukünftig, auch wenn es sich nicht um Ganztagsschulen handelt, Beköstigungsmöglichkeiten vorhanden sein. Daher sehen die Musterraumprogramme nunmehr grundsätzlich die entsprechenden Flächen vor. Darüber hinaus enthalten sie Empfehlungen für Lehrerarbeitszimmer und Freizeitbereiche. Analog der vorherigen Ausführungen gilt, dass sich bei Abgleich dieser Standards mit der jeweiligen Gebäudebestandssituation und unter Berücksichtigung der pädagogischen Konzep-tion der Schule Abweichungen im Hinblick auf Zahl und Größe der Räume ergeben können.

 

 

Berlin, den 12. Mai 2010

In Vertretung

Claudia Zinke

Senatsverwaltung für Bildung,

Wissenschaft und Forschung

(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Mai 2010)