Bildung
Freitag, 10. Dezember 2010 22:05 - Von Katrin Lange und Regina Köhler
Der Landeselternausschuss hat seine Vorstellungen für Berlins Schultyp der Zukunft vorgestellt. Danach sollen Kinder in einer Gemeinschaftsschule acht statt sechs Jahre zusammen in einer Klasse bleiben.
Kinder sollen länger in einer Klasse lernen
Der Landeselternausschuss hat sich für ein längeres gemeinsames Lernen der Kinder ausgesprochen. Als Schultypus der Zukunft können die Elternvertreter sich eine Gemeinschaftsschule vorstellen, in der die Kinder mindestens von der 1. bis zur 8. Klasse zusammenbleiben. Einen Schulwechsel nach dem sechsten Schuljahr, wie derzeit in Berlin praktiziert, halten sie für fragwürdig. Das ist das Ergebnis einer Debatte von Eltern mit Schul- und Bildungsexperten, die am Mittwochabend im Roten Rathaus stattfand.
Günter Peiritsch, Vorsitzender des Landeselternausschusses, bezeichnete die Zäsur nach der Grundschule als überflüssig. „Die Aufteilung der Kinder nach der sechsten Klasse, die auch noch einhergeht mit der Suche nach der richtigen weiterführenden Schule und anstrengenden Aufnahmeverfahren, bedeutet für Kinder und Eltern einfach nur Stress“, sagt er. Nach sechs Jahren hätten sich die Kinder an ihr Umfeld gewöhnt, Freunde und ihre Sicherheit in der Schule gefunden. Auch für die Eltern sei es ein vertrautes Terrain.
Klassen werden getrennt
Genau in diesem Augenblick würden Klassenkameraden auseinander gerissen werden. Die Schüler müssten sich an der Oberschule nicht nur an die neuen Herausforderungen gewöhnen, sondern auch an die neuen Mitschüler und die neue Schule. Peiritsch geht deshalb davon aus, dass sich immer mehr Eltern für den längeren Verbleib ihrer Kinder an einer Schule aussprechen werden und dass die Gemeinschaftsschule daher das Modell für die Zukunft ist.
Schon jetzt sind Gemeinschaftsschulen, an denen die Kinder mindestens bis zur 10. Klasse zusammen lernen, bei den Eltern zunehmend beliebt. Zum Schuljahr 2011/12 wird es drei neue geben. Insgesamt erhöht sich damit ihre Zahl in Berlin auf 19. Noch ist das Gemeinschaftsschulprojekt allerdings in einer Pilotphase, die 2013 endet. Eine Studie der Universität Hamburg, die das Projekt wissenschaftlich begleitet, attestiert den Gemeinschaftsschulen aber schon jetzt eine positive Entwicklung. Demnach haben sich das Schulklima und die Mitarbeit der Schüler verbessert. Auch die Gestaltung des Unterrichts, der sich an der heterogenen Schülerschaft und ihrer individuellen Förderung orientiert, werde immer besser, heißt es in der Studie.
Ursprünglich wollten sich die Eltern für einen einheitlichen Grundschulabschluss stark machen. Die Notengebung sei zu subjektiv, kritisierten sie. Sie differiere nicht nur von Schule zu Schule, sondern auch von Lehrer zu Lehrer. Für den Übergang von der Grundschule auf eine weiterführende Schule wären von nun an aber gerade die Noten ausschlaggebend, da das Prinzip der Wohnortnähe abgeschafft sei.
Diesen neuen Aufnahmekriterien müsse Rechnung getragen werden, forderten die Eltern. Sinnvoll wäre ein genormtes Testverfahren mit einer einheitlichen Bewertung für alle Schüler. „Das Thema Grundschulabschluss ist nun aber vom Tisch“, sagt Peiritsch. In der Debatte sei klar geworden, dass auch Zensuren nach einheitlichen Tests kein Kriterium sein könnten, um die Leistungsfähigkeit eines Schülers zu messen. Denn auch in diesen Tests könnte die Bewertung durch die jeweiligen Lehrer unterschiedlich ausfallen.
Vorschlag wird diskutiert
Jörg Ramseger, Erziehungswissenschaftler an der Freien Universität, betonte während der Debatte im Roten Rathaus, dass sich Zensuren nicht standardisieren ließen. „Die Noten entstehen aus dem Unterricht heraus und können auch nur für das erteilt werden, was im Unterricht behandelt worden ist“, sagte er. Er wies darauf hin, dass es neben den Noten die Gutachten der Grundschulen zum Übertritt der Kinder in eine weiterführende Schule gibt. Diese hätten mit bis zu 70 Prozent eine hohe prognostische Sicherheit.
Zu der von den Eltern angestrebten Gemeinschaftsschule äußert der Erziehungswissenschaftler sich eher zurückhaltend. „Das längere gemeinsame Lernen funktioniert nur, wenn innerhalb der Gemeinschaftsschulen sehr stark differenziert unterrichtet wird und es eine gute didaktische Steuerung gibt.“ Hintergrund für die Debatte ist die Tatsache, dass sich Gymnasien und Sekundarschulen vom kommenden Schuljahr an bis zu 70 Prozent der Schüler selbst aussuchen können. Gibt es mehr Anmeldungen als Plätze werden die restlichen 30 Prozent ausgelost. Die Nähe des Wohnorts zur Schule – also der BVG-Fahrplan – spielt keine Rolle mehr.
Die Eltern befürchten nun, dass sich die überwiegende Zahl der Oberschulen für eine gerichtsfeste Variante entscheiden und den Notendurchschnitt als Aufnahmekriterium festlegen wird, um eine Klagewelle zu vermeiden.
http://www.morgenpost.de/berlin/article1476437/Eltern-wollen-acht-Jahre-Gemeinschaftsschule.html