B I L D U N G
Eisiges Klima
Thilo Sarrazin hat die Bildungsthesen seines Bestsellers auch aus den Erfahrungen seiner Frau Ursula abgeleitet.
Die Grundschullehrerin wird schon lange als zu streng kritisiert.

 

Die Verabschiedung der 6. Klassen aus der Reinhold-Otto-Grundschule im Berliner Westend sollte ein schönes Fest werden, mit Reden, Musik und Sketchen. Sechs Kinder trugen im Sommer 2008 Erinnerungen an ihre Grundschulzeit vor. Als letztes kam in der überfüllten Aula ein Mädchen an die Reihe. Es stand auf der Bühne und griff sich selbstbewusst das Mikrofon: „Die Schule machte mir sehr viel Spaß, außer im Fach Deutsch, denn meine Lehrerin war sehr streng, und vor allen Dingen schrak ich manchmal zurück, wenn sie so laut schrie, dass ihr Kopf leicht rot anlief.“

 

Ursula Sarrazin, ihre Deutschlehrerin, saß im Saal mit versteinerter Miene. Einige Tage zuvor hatte der Klassenlehrer, der ihren Text vorher gelesen hatte, noch abends bei den Eltern des Mädchens angerufen und gedrängt, die Passage abzuschwächen oder wegzulassen. Die 13-Jährige weigerte sich und sorgte damals für einen kleinen Eklat. Jetzt wird der bislang nur schulinterne Konflikt um Frau Sarrazin und ihre Erziehungsmethoden in aller Öffentlichkeit ausgetragen. Er kreist um zwei Fragen:

 

Demütigt und belastet sie Kinder? Oder wird sie gemobbt, weil sie mit Thilo Sarrazin verheiratet ist?

 

Seit einer Woche stellen vor allem Springer-Blätter das Paar als Opfer einer Kampagne dar. Gleichzeitig werden die Klagen vieler Eltern lauter. So erhielt der Leiter der Schulaufsicht, Günther Kuhring, einen Beschwerdebrief aus der Klasse 4b. Über Ursula Sarrazin hieß es darin, „dass sie Kinder anschreit“, demotiviere  und beschimpfe. Einige Schüler hätten deshalb „während des Unterrichts mehrfach geweint“, so dass sie „völlig aufgelöst zu Hause ankamen“.

 

Die Frau, um die sich alles dreht, lehnt sich in einem Sessel in ihrem Wohnzimmer in Berlin-Charlottenburg zurück, es ist Donnerstagabend vergangener Woche. „Nein“, sagt sie, „ich schrei doch keine Kinder an, ich demütige doch niemanden.“

 

Drei Stunden lang wird sie im Gespräch die Vorwürfe zurückweisen und ihre Version erzählen. Dabei weiß sie oft nicht, wohin mit ihren Händen, sie legt sie auf die Beine, dann lässt sie sie baumeln, dann verschränkt sie die Arme, greift sich ans Kinn, sie ist immer in Bewegung. „Es ist genau umgekehrt“, sag sie, „ich werde nach 30 Jahren im Schuldienst gemobbt, offenbar will man mich zum Halbjahreswechsel Ende Januar aus der Schule raushaben.“

 

Normalerweise würden Elternbeschwerden über eine Grundschullehrerin keine deutschlandweiten Schlagzeilen machen. Doch in diesem Fall ist es die Prominenz des Ehemanns, die den Streit aus anderen Gründen hervorhebt. Denn in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ beruft sich Sarrazin ausdrücklich auf die Erfahrungen seiner Frau: „Bei allen Aussagen zur Bildung war sie mir ein wichtiger fachlicher Gesprächspartner“, schreibt er in der Danksagung.

 

Zufall oder nicht: Deutsch und Mathematik – die Unterrichtsfächer Ursula Sarrazins – sind für ihren Mann Thilo die wichtigsten Kernkompetenzen für individuellen Bildungserfolg. Und ausgerechnet hier sieht er die größten Defizite.
„Meine Frau hat als Grundschullehrerin sämtliche Deutsch- und Mathematikbücher von 1972 bis heute aufbewahrt“, heißt es in seinem Werk. Nach Durchsicht der Lehrbücher erkannte das Ehepaar einen „schockierenden“ Trend: Die Anforderungen seien kontinuierlich gesunken – mit schlimmen Folgen für das mathematische Grundverständnis („verheerend“) und die Lesefähigkeit („noch verheerender“).

 

Ihre „dreizügige Grundschule in Charlottenburg“, an der viele Kinder aus Zuwandererfamilien stammen, dient dem Bestseller-Autor aber auch sehr konkret als „schlechtes Reformbeispiel“. Dass die Schulleiterin die Jahrgangsstufen 1 und 2 durch „jahrgangsübergreifendes Lernen“ ersetzte, führte demnach zu „vielen Mängeln“, darunter Leistungsverlusten und Unruhe unter den Schülern; nicht zuletzt sei auch „der Vorbereitungsaufwand für die Lehrer erheblich höher“ gewesen. Eltern, die die Umstellung unterstützt hätten, „schwammen mit auf der allgemeinen Modewelle“. Diese und andere Erkenntnisse lassen ihn über Schulreformen generell hart urteilen: „Sie folgen ein Stück weit der altlinken, gleichmacherischen Ideologie, dass man Anforderungen so lange senkt, bis auch die Schwachen sie erfüllen können.“

 

Wie glaubwürdig und belastbar sind solche Thesen aber, wenn das „schlechte Reformbeispiel“ Reinhold-Otto-Schule offenbar seit Jahren Schauplatz einer Auseinandersetzung um Erziehungsmethoden, Elternbeschwerden und Behördenversagen ist, in deren Zentrum ausgerechnet Sarrazins Frau Ursula steht?

 

An ihrem Arbeitsplatz ist die Situation offenbar weitgehend außer Kontrolle geraten.
Anhänger des Bestseller-Autors fühlen sich durch die Kritik an der Ehefrau provoziert. Es scheint, als würde die ganze, wüste, nationale Sarrazin-Debatte aufs Neue ausgefochten, verdichtet und zugleich zugespitzt zur lokalen Affäre.

In der Grundschule wie auch bei Eltern trafen Schmäh- und Drohbriefe gegen Sarrazin-Kritiker ein. Man wolle „mehr Sarrazins“ und „weniger Türken“ an der Schule, heißt es da. Nach einer Drohung gegen den Schulleiter, der seine prominente Lehrerin seit längerem kritisiert, kam sogar der Staatsschutz. Zwei Beamte inspizierten die Computer im Sekretariat der Grundschule und sahen E-Mails durch, „um die Bedrohungslage einzuschätzen“.
Die Schulaufsicht stellte Strafanzeige. Lehrer rieten ihrem Chef, früher nach Hause zu gehen, um einem möglichen Angriff zu entgehen.

 

Auch der Vorsitzende des Berliner Landeselternausschusses, Günter Peiritsch, bekam den Zorn der Sarrazin-Fans zu spüren. Peiritsch hatte die Vorwürfe von Eltern in Interviews öffentlich gemacht und wird nun bezichtigt, sich in dieser „Schmierenkomödie“ als „nützlicher Idiot“ missbrauchen zu lassen. Eigentlich gehe es um Herrn Sarrazin, weil der so viel „völkischen“ Zuspruch erhalte. „Man sollte immer an die Auswirkungen seines Handelns denken“, heißt es in einem Drohbrief, „auch Sie haben eine Familie, die Ihren Schutz braucht.“- Der Konflikt köchelt allerdings schon seit Jahren. Immer wieder hatte es Kritik am Erziehungsstil von Ursula Sarrazin gegeben. Schon 2002, als sie an einer Berliner Montessori-Schule unterrichtete und ihr Mann noch kaum bekannt war, beschwerten sich fast alle Eltern ihrer Klasse.
Am Ende eines Schuljahrs legten sie der Direktorin die bereits ausgefüllten Abmeldeformulare ihrer Kinder vor und erklärten: „Wenn Frau Sarrazin hier bleibt, verlassen unsere Kinder die Schule.“ Wenig später wechselte die Lehrerin die Schule „Sie wehrte alle Vorwürfe ab“, erinnert sich ein Vater. Jahre später, im März 2009, kam es erneut zu einer Sammelbeschwerde. „Rund 50 Eltern haben mitgemacht“, sagt Ines Zimzinski, die das Schreiben mit einigen anderen direkt bei der Schulaufsicht abgab. „Viele Kinder litten, wie meine Tochter, unter dem autoritären Lehrstil von Frau Sarrazin“, sagt sie. In der Beschwerde war von der Angst der Kinder die Rede, von überzogenem Leistungsdruck, von Bloßstellen und davon, dass die Lehrerin „im Unterricht die Beherrschung verliert und die Kinder anschreit“. Doch nichts geschah. „Wir Eltern hatten den Eindruck, die Schulverwaltung heftet so etwas einfach ab“, sagt Zimzinski, 42. Ein Elternvertreter trat aus Protest zurück. Andere Mütter wollten nur noch unter Zeugen mit der Lehrerin reden.

 

Eltern eines japanisch-deutschen Jungen beklagten sich schriftlich, dass Sarrazin ihren Sohn wiederholt in „Suzuki“ umtaufe. Das geschehe „zum Teil unter dem Gelächter der Klassenkameraden, die ihn dann prompt auch so nennen“, schrieben die Eltern empört: „Wir sind, gelinde gesagt, erstaunt, dass sich eine gestandene Lehrerin anscheinend einen Spaß auf Kosten eines achtjährigen Kindes macht.“

Nach den Medienberichten der vergangenen Woche haben sich Dutzende empörte Eltern beim SPIEGEL gemeldet. Sie berichten von ihren zahlreichen Vorwürfen gegen Frau Sarrazin und von ihren – erfolglosen – Versuchen, die Schulverwaltung zum Handeln zu bringen.

„Mein Sohn ging mit hängenden Schultern, wie ein alter Mann zur Schule“, sagt zum Beispiel Werner S. „Sie hat unsere Kinder kaputtgemacht“, sagen andere, oder: „Unsere Kinder hatten nur noch Angst vor ihr.“ Häufig meldeten Eltern ihre Kinder ab und nahmen lieber längere Schulwege in Kauf als Unterricht bei Ursula Sarrazin. „Immer wieder“, sagt eine Mutter, „fühlten wir Eltern uns abgebügelt von einer Lehrerin, die mit Kritik nicht umgehen konnte, stets alles bestritt und bis heute behauptet, es sei alles anders gewesen.“

 

Doch Berlins Schulsenator Jürgen Zöllner (SPD), der Thilo Sarrazin als langjährigen Finanzsenator gut kennt, nahm das Problem lange nicht in Angriff. Obwohl der Konflikt in internen Vermerken etwa als „Störung des sozialen Friedens“ bewertet wird. Allerdings folgenlos. Stattdessen wurde ein Beamter, der Ursula Sarrazin versetzen wollte, auf einen anderen Posten abgeschoben.

Direktor, Lehrer, Schulaufsicht – alle sind angewiesen zu schweigen. Nur Ursula Sarrazin darf sich weiter zu Wort melden. Zöllner verteidigt sich, Streit um einzelne Lehrer sei nicht ungewöhnlich.

 

Das Interesse an ihrem Fall speise sich „allein aus den umstrittenen Äußerungen ihres Mannes“. Es ist spät geworden im Wohnzimmer der Sarrazins, das lange Blättern in den Papieren, das Hin- und Herwenden der Vorwürfe und Gegenvorwürfe haben die Lehrerin ermüdet. „Ich werde oft missverstanden“, sagt sie. Wirklich? Bei einem Elternabend am 1. Juli 2008 ging es um ihre Verabschiedung nach drei Jahren als Lehrerin der Klasse 3b. Der Vater, der die Dankesrede hielt, schonte sie nicht. „Die Kinder“, sagte er, „haben sich diesen Wechsel auch verdient“, da auch „so manche Träne gekullert ist“. Denn neben den Lernerfolgen habe es auch „einige Auseinandersetzungen“ gegeben. Manche Kinder seien dem Druck der Lehrerin nicht gewachsen gewesen und hätten in den ersten zwei Schuljahren die Schule, ihre Klassenkameraden, ja auch ihre Freunde verlassen: „Ein hoher Preis für alle!“ Einen Tag später erhielt Ursula Sarrazin den Brief einer Mutter, die klarstellen wollte, dass die Abschlussrede nicht die Meinung aller wiedergegeb en habe. Sie und andere seien persönlich zufrieden und würden Frau Sarrazin „sehr zu schätzen wissen“. Ursula Sarrazin ist inzwischen in dieOffensive gegangen. Über ihren Anwalt fordert sie Peiritsch zum Widerruf seiner Kritik auf. Der oberste Vertreter der Berliner Elternschaft soll öffentlich Vorwürfe zurücknehmen, dass Schüler „von Frau Sarrazin gedemütigt und angeschrien werden“ und deshalb im Unterricht „weinen“. In der Vergangenheit, so Sarrazins Anwalt, habe sich „in keinem Fall ein Fehlverhalten“ bestätigt.

 

Auch im Konflikt mit ihrem Schulleiter will Ursula Sarrazin nicht nachgeben. Seit November vergangenen Jahres bekommt sie – mitunter täglich – schriftliche Klagen des Direktors. Das Klima ist eisig. Mal, so heißt es, werde sie ermahnt, häufiger in ihr Postfach zu schauen, mal kritisiert, weil sie sechs Minuten verspätet zum Unterricht erschienen sei. Der Direktor überprüfe heimlich ihr Klassenbuch und moniere, dass sie zwei Stunden für ein Übungsdiktat benötige. Ursula Sarrazin schreibt seitenweise Erwiderungen. Der Konflikt überfordert alle Beteiligten. Besonders die betroffenen Kinder. Manchmal tanzen sie auf den Tischen, auch bei der sonst so strengen Frau Sarrazin. Das zumindest berichtet sie selbst. Sie läuft dann hilfesuchend zu ihrem Direktor, doch der ist erkennbar fertig mit den Nerven. Eines will Ursula Sarrazin am Ende in ihrem Wohnzimmer noch loswerden: Mitte vergangener Woche habe sie in der Klasse 4b, aus der die jüngste Beschwerde kam, das Thema „Gerüchte“ durchgenommen – in Anwesenheit ihres S chulleiters. Fünf Schüler mussten raus auf den Flur, und einer nach dem anderen durfte herein, um sich eine kurze Geschichte vom jeweiligen Vorgänger erzählen zu lassen. Von einem zum anderen Kind veränderte sich der ursprüngliche Inhalt immer mehr. „Seht ihr“, habe sie dann zum Schluss der Stunde gesagt, „so ist das mit Gerüchten. Am Ende stimmt fast nichts mehr.“

 

PETER WENSIERSKI

 

D E R S P I E G E L 3 / 2 0 1 1.
17.01.2011, Seite 34 - 36

 

 

 

13.01.2011 23:36 Uhr

Ursula Sarrazin wehrt sich "Schmarotzer habe ich nie gesagt"

 

Bild vergrößernUrsula Sarrazin, 59, arbeitet seit rund 30 Jahren als Lehrerin und seit neun Jahren an der Reinhold-Otto-Grundschule in Westend. Sie stammt aus Schleswig-Holstein. - Foto: Paul ZinkenRigider Unterrichtsstil, Störung des Schulfriedens: Ursula Sarrazin, die Frau des ehemaligen Finanzsenators, ist an ihrer Charlottenburger Schule in die Kritik von Eltern und der Schulleitung geraten. Mit dem Tagesspiegel sprach sie über die Vorwürfe.

 

In den letzten Jahren gab es vermehrt Klagen über Frau Sarrazin, 2008 kam von Elternseite eine Dienstaufsichtsbeschwerde hinzu. Die jüngste Auseinandersetzung wurde dadurch ausgelöst, dass sich ein türkischstämmiger Vater über die Lehrerin beschwert hatte. Landeselternsprecher Günter Peiritsch stellte sich hinter die Kritiker und sagte, Sarrazin gefährde den Schulfrieden.

 

Frau Sarrazin, Berlin rätselt, ob Sie eine gute Lehrerin sind. Eltern berichten, Kinder würden sogar Hilfe vom Schulleiter holen, weil es Unfrieden gibt.

 

Davon weiß ich nichts. Das ist üble Nachrede.

 

Sie gelten als strenge Lehrerin.

 

Manchen Eltern sind sie offenbar zu streng. Können Sie sich das erklären?

 

Streng klingt irgendwie unsympathisch. Ich würde sagen, dass ich konsequent bin.

 

Was bedeutet für Sie Konsequenz?

 

Auch im Unterricht gibt es Regeln, die man nicht übertreten darf. Man muss sich beispielsweise gegenseitig anhören, nicht einfach reinreden oder anderweitig stören. Hält sich ein Schüler nicht daran, muss das Konsequenzen haben. Ich muss als Lehrer reagieren, natürlich situationsabhängig und abgestimmt auf die Persönlichkeit des Schülers. Deshalb muss aber nicht gleich etwas Schlimmes passieren. Vielleicht rufe ich auch nur: ,Jetzt ist einfach Schluss!’ Grundsätzlich geht es doch darum, ein störendes Verhalten nicht einfach im Raum stehen zu lassen. Wenn ich als Lehrer eine Reaktion unterlasse, nehme ich die Regeln nicht ernst. Dann tun die Schüler das auch nicht mehr.

 

Sind die anderen Kollegen weniger konsequent oder nicht konsequent genug?

 

Bestimmt gibt es solche Kollegen.

 

In einem Elternbrief, der uns vorliegt, heißt es, Sie würden Kinder als „Schmarotzer“ oder „armseliges Opfer“ titulieren.

 

„Schmarotzer“ habe ich nie gesagt! Wie können Eltern so etwas behaupten? Ich käme nie auf die Idee.


Und was ist mit dem „armseliges Opfer“?

 

 

Das habe ich gesagt, allerdings muss man dazu den Zusammenhang kennen.

 

Und der wäre?

 

Nun, ein Junge, der völlig außer Rand und Band geraten war, auf keine Ermahnung meinerseits hörte, wurde schließlich von einem Mitschüler geschlagen. Er kam weinend zu mir und beklagte sich. Ich sagte zu ihm: „Nun bist Du auf einmal das armselige Opfer.“ Ich habe das Wort Opfer so gebraucht, wie es in unserer Sprache üblich ist, wenn jemandem Gewalt angetan wird. Ich war zu diesem Zeitpunkt gar nicht auf die Idee gekommen, missverstanden zu werden. Die Eltern haben sich dann gleich ans Schulamt gewendet.

 

Es waren die Eltern eines türkischstämmigen Jungen?

 

Ja. Vielleicht wissen diese Eltern nicht, dass das Wort Opfer in unserer Sprache gar nicht negativ gemeint sein muss. Vielleicht wissen sie nicht, was Opfer bedeutet.

 

Das ist aber nicht alles. Andere Eltern behaupten, dass Sie den Schulfrieden stören. Dass sie sogar andere Lehrer anschreien.

 

Das stimmt nicht. Ich habe noch nie einen Lehrer angeschrieen.

 

Aber wie kommt es dann zu solchen Behauptungen?

 

Das weiß ich nicht! Natürlich versteht man sich mit den Kollegen unterschiedlich – mit dem einen mehr, mit dem anderen weniger.

 

Andere sehen das offenbar anders.

 

Es gibt sicherlich Neid und Missgunst. Ich weiß auch von Dritten, dass mir mitunter angelastet wurde, dass mein Mann im Bildungsbereich sparen musste. Ich war die Frau des Sparsenators. Da wurde ich in Sippenhaft genommen, ohne dass es mir offen gesagt wurde.

 

Ließ sich kein klärendes Gespräch führen?

 

Ich habe im Kollegium vorgeschlagen, dass mein Mann für sie einen Vortrag halten könnte über die Sparzwänge und die ganzen Zusammenhänge. Keiner hatte Interesse gezeigt.

 

Haben Sie denn keine Freunde im Kollegium?

 

Freunde und Kollegen sind etwas Unterschiedliches. Zu meinen Kollegen habe ich ein gutes kollegiales Verhältnis. Ich habe mit einer Kollegin sechs Jahre sehr gut zusammengearbeitet. Daraus hat sich eine gute Freundschaft entwickelt. Aber sie ist schon in Pension.

 

Es wird behauptet, dass Sie sogar Ihren Schulleiter anschreien.

 

Das stimmt nicht. Ich schreie weder meinen Schulleiter noch meine Kollegen an.

 

Aber offenbar stimmt doch irgendetwas nicht. Warum bleiben Sie dennoch an der Schule?

 

Ich habe hier bisher gern gearbeitet. Ich kenne die Strukturen hier seit neun Jahren. Außerdem gäbe es die Probleme, die ich jetzt habe, überall, weil ich immer Frau Sarrazin wäre.

 

Aber entmutigt Sie das nicht, dass Sie so beschimpft werden?

 

Sehr viele Eltern bestätigen, dass ich gut arbeite. Natürlich macht es mir zu schaffen, was jetzt von einigen Eltern behauptet wird.

 

Auch Ihr Schulleiter will Sie loswerden. Können Sie sich das erklären?

 

Unsere Ansichten über die Erteilung von Hausaufgaben sind sehr unterschiedlich.

 

Was heißt das?

 

An unserer Schule hat die Schulkonferenz beschlossen, dass donnerstags und freitags keine Hausaufgaben von einem Tag auf den anderen aufgegeben werden dürfen. Das heißt, ich kann am Mittwoch das letzte Mal Hausaufgaben auf den nächsten Tag aufgeben. Dagegen habe ich mich gewehrt. Aber ich halte mich natürlich dran.

 

Aber es gibt doch eine Vorgeschichte. Im Jahr 2008 wollte der damalige Schulrat sie versetzen, ein Jahr später der Schulleiter. Was ist daraus geworden?

 

Ich habe mich mit einem Rechtsanwalt damals gegen die angekündigte Versetzung erfolgreich gewehrt. Es wurden mir auch keine Gründe angegeben. Die Kosten für den Rechtsanwalt wurden mir in vollem Umfang ersetzt.

 

Von einzelnen Eltern kam dennoch immer wieder der Vorwurf, Sie würden den Schulfrieden stören.

 

Das stimmt nicht. Eine einzelne Lehrerin kann den Schulfrieden nicht stören. Wir sind immerhin rund 25 Kollegen.

 

Der Landeselternsprecher Günter Peiritsch sieht das anders. Sie haben ihm angeblich rechtliche Schritte angedroht, wenn er sich weiter so äußert. Stimmt das?

 

Ich habe meinen Anwalt eingeschaltet. Herr Peiritsch soll eine Unterlassungserklärung unterschreiben und seine Aussagen widerrufen.

 

Die Fragen stellte Susanne Vieth-Entus

 

http://www.tagesspiegel.de/berlin/schule/schmarotzer-habe-ich-nie-gesagt/3701604.html

 

 

 

 

16.01.2011 22:03 Uhr
Von Ursula Sarrazin

Im Wortlaut
Ursula Sarrazin wehrt sich

 

Lehrerin Ursula Sarrazin hat am gestrigen Sonntag eine persönliche Erklärung veröffentlicht. Im Wortlaut.

 

1. Bis heute war von den rund 100 Kindern, die ich gegenwärtig unterrichte, kein Elternteil bei mir, um sich über irgendetwas zu beschweren.

 

2. Bis heute haben mir Schulleitung und Schulaufsicht keine konkreten Vorwürfe mitgeteilt.

 

3. Es scheint so zu sein, dass in einer bestimmten Klasse zwei bis drei Eltern türkischer Kinder üble Nachrede gegen mich üben, ohne dass mich je einer von ihnen je aufgesucht hätte. Ich kenne die Eltern gar nicht. Den türkischen Klassenelternsprecher habe ich mehrfach zum Gespräch eingeladen. Er ist der Einladung nicht gefolgt.

 

4. Die Schulleitung und ein bestimmter Lehrer haben in dieser Klasse gegen mich gehetzt, indem sie vor den Kindern, ohne dass ich dabei war, Kritik an mir geübt haben.

 

5. Von diesen beiden Gruppen – zwei bis drei Eltern türkischer Kinder, die eigene Schulleitung – ging das Mobbing der letzten Wochen aus.

 

6. Die Schulaufsicht hat trotz mehrfacher mündlicher und schriftlicher Beschwerden meinerseits bisher nichts dagegen unternommen, sondern hat die Dinge laufen lassen.


Wenn so die Zukunft des Berliner Schulwesens aussieht, wird mir angst und bange.

 

http://www.tagesspiegel.de/berlin/schule/ursula-sarrazin-wehrt-sich/3705624.html

 

 

 

15.01.2011 22:37 Uhr
Von Barbara Kerbel

 

Sie stehen heute alle unter Druck: Lehrer, Kinder, Eltern. Das wirkt sich auf das Schulleben aus. Nie war es so konfliktträchtig.

 

Timo stört den Unterricht, und nicht zum ersten Mal. Er schwatzt und läuft durch die Klasse. Immer wieder muss die Lehrerin ihn ermahnen: „Setz dich hin, sei still, hör zu.“ Vergebens – Timo fängt nun auch noch an zu singen. Schließlich setzt die Lehrerin Timo ganz hinten in die Klasse und lässt ihn seitenweise Worte abschreiben. Hinauswerfen will sie ihn nicht, damit könnte sie ihre Aufsichtspflicht verletzen. Nachmittags erzählt Timo seiner Mutter von der langweiligen Schule, in der er immer nur abschreiben müsse. Es ist nicht das erste Mal, und seine Mutter ärgert sich. Gespräche mit der Lehrerin enden an dem Punkt, an dem diese Timo „schwierig“ findet, weil er „die ganze Klasse aufmischt“.

 

Timo will nicht mehr in die Schule, seine Mutter ist überzeugt, das müsse an der Lehrerin liegen, die sein Temperament und seine Fähigkeiten falsch einschätzt. Sie sucht das Problemgespräch mit dem Schulleiter – über die Lehrerin.

 

Wo liegt die Wahrheit, wer löst das Problem? Die Debatte um die Lehrerin Ursula Sarrazin wirft ein Schlaglicht auf die überaus gespannten Beziehungen, die Lehrer und Eltern heute verbinden. Noch nie standen Lehrer so stark unter Druck und unter Beobachtung. Noch nie haben sich Eltern so entschieden und gründlich in den Schulbetrieb eingemischt. Wie Lehrer sein sollen, wie sie mit unseren Kindern umzugehen haben – das meinen alle beurteilen zu können. „Lehrer ist ja quasi jeder“, sagt Ralf Treptow, Direktor des Rosa-Luxemburg-Gymnasiums in Pankow.

 

Früher – da war der Lehrer wer. Bis vor ein paar Jahren gehörten Lehrer zu den angesehensten Berufsgruppen, Respekt verstand sich von selbst. Autorität und autoritäres Handeln wurde nicht infrage gestellt. Heute stehen Lehrer im Kreuzfeuer der Erwartungen, und immer mehr Pädagogen knicken ein unter dem Druck. Die Zahl der dauerkranken Lehrer in Berlin erreichte im vergangenen Jahr laut Senatsbildungsverwaltung einen neuen Höchststand: 1450 der rund 30 000 Berliner Pädagogen sind nicht mehr in der Lage, ihren Beruf auszuüben, weil sie an Burnout, Herz-Kreislauf- oder Rückenerkrankungen leiden; 50 Millionen Euro kostet das Berlin pro Jahr.

 

Lehrer, die am Burnoutsyndrom leiden, berichten, dass es vor allem der immense Druck von außen ist, dem sie nicht mehr standhalten konnten: immer neue Vorschriften, gesellschaftliche Erwartungen, zentrale Vergleichsarbeiten, immer höhere Standards. „Früher waren Lehrer eher Einzelkämpfer“, sagt eine 39-jährige Pädagogin aus Wedding. Sie allein waren dafür verantwortlich, was im Klassenzimmer geschah. Heute gibt es offenen Unterricht, Teamarbeit, runde Tische mit Sozialarbeitern und Psychologen, internationale Bildungsstandards. Vor allem ältere Kollegen hätten Probleme, sich den zahllosen Anforderungen anzupassen, sagt die 39-Jährige. Und viele Berufsanfänger seien unsicher, welche Methoden denn nun die besten sind: offener Unterricht – oder doch eher Frontalunterricht und strenge Regeln?

 

Ursula Sarrazin ist nicht unsicher, sondern routiniert. Und sie verteidigt ihren Unterrichtsstil offensiv. „Wenn ich als Lehrer eine Reaktion unterlasse, nehme ich die Regeln nicht ernst. Dann tun die Schüler das auch nicht mehr“, sagte sie im Interview. Die 59-Jährige polarisiert: Ist sie zu streng? Verlangt sie zu viel? Oder muss man sie nicht eher loben dafür, leistungsorientiert zu sein und, wenn nötig, eine harte Hand zu zeigen? Öffentlichkeit und Eltern sind gespalten. An der Spitze der Kritiker steht Landeselternsprecher Günter Peiritsch. Der 52-Jährige gehört zu den besonders Engagierten: Er habe sich nicht damit abfinden wollen, seine Kinder an das „System Schule “ abzugeben und die Tür hinter ihnen zu schließen, sagt Peiritsch. Er spricht also für Eltern wie sich selbst: bildungsbürgerlicher Hintergrund, politisches Verständnis, finanzielle Sicherheit.

 

Als Berliner Landeselternsprecher hat es Peiritsch außer mit bürgerlichen Normaleltern mit zwei anderen Elterntypen zu tun. Da sind einerseits Eltern, die am liebsten bereits in der Grundschule die Basis für den universitären und beruflichen Werdegang des Kindes legen wollen. Es sind fordernde Eltern, vermeintlich perfekt informiert über Pisa, Schulrecht, Stundenplan und Methodenlehre. Sie treten Lehrern gegenüber wie Auftraggeber auf und erwarten von der Schule ein rundum gebildetes, optimal gefördertes Kind zurück. Andererseits sind da die Bildungsfernen. Sie werfen Elternbriefe ungelesen fort, aus Mangel an Interesse oder an Deutschkenntnissen oder an beidem.

 

Jede Mutter, jeder Vater waren selbst einmal Schüler. Auch das macht die Kommunikation mit den Lehrern nicht leichter. „Alle, die sich in der Schule begegnen, haben Erfahrungen mit Schule gemacht und sind scheinbar Experten“, sagt Eva Schmoll, Schulleiterin der Nikolaus-August-Otto-Oberschule in Lichterfelde. Viele Eltern sehen an der Schule von heute vor allem die Mängel. Je größer der Bildungsdruck, je mehr Bedeutung dem Lernen und der Bildung beigemessen wird, desto unsicherer werden sie. Groß ist die Angst, eine Chance zu verpassen, Fehler zu machen, dem Kind die Zukunft zu verderben. Also mischen sie sich ein. Welche Bücher soll der Lehrer mit der Klasse lesen? Neben wem sitzt mein Kind? Bekommt es genügend Aufmerksamkeit? Wie viel Hausaufgaben darf es geben? Wird das Kind gerecht bewertet? Wenn nicht – was kann man dagegen tun? Wohin geht die Klassenfahrt?

 

Dabei machen manche Eltern den Eindruck, als verstünden sie sich als Trainer und Anwalt ihres Kindes gleichermaßen. Mit zunehmendem Einfluss der Eltern steigt der Rechtfertigungsdruck, dem sich Lehrer stellen müssen. „Hält diese Entscheidung einer juristischen Überprüfung stand?“ Das muss Schulleiter Ralf Treptow immer im Kopf haben. Es kommt vor, dass er einen Termin mit einem Schüler und dessen Eltern bei sich im Büro ausmacht, um über eine vermeintlich zu harte Bestrafung oder eine angeblich ungerechte Note zu diskutieren – und mit den Eingeladenen kommt auch der Anwalt der Familien, um notfalls mit einer Klage zu drohen.

 

Auch das müssen Lehrer aushalten.

 

http://www.tagesspiegel.de/berlin/schule/jeder-hat-was-zu-melden/3704826.html

 

 

 

15.01.2011 18:26 Uhr
Von Susanne Vieth-Entus
 

Neue Vorwürfe
Hat Frau Sarrazin mit der Blockflöte zugelangt?
 

Ursule Sarrazin, die Frau des ehemaligen Berliner Finanzsenators, soll auch an einer anderen Schule massive Auseinandersetzungen gehabt haben. Höhepunkt war angeblich ein Schlag mit einer Flöte auf einen Kinderkopf.
 

Gegen die Frau des ehemaligen Finanzsenators Thilo Sarrazin, Ursula Sarrazin, sind neue Vorwürfe aufgetaucht. Nach Informationen des Tagesspiegels gab es bereits in einer anderen Schule Probleme. Dort soll sie einem Schüler mit einer Blockflöte auf den Kopf geschlagen und ebenfalls massive Auseinandersetzungen mit Eltern gehabt haben. Frau Sarrazin bestreitet dies allerdings vehement.
 

„In kürzester Zeit gab es einen Aufstand der Eltern und Schüler“, berichtet eine Mutter, deren Kind bis 2001 die Reinfelder Grundschule in Charlottenburg besuchte. Sie selbst sei zunächst froh über die neue Lehrerin gewesen, die den Eindruck vermittelt habe, den Kindern wirklich etwas beibringen zu wollen.
 

„Ich ging zu einer Versammlung extra hin, um Frau Sarrazin gegen die aufgebrachten Eltern zu verteidigen“, sagt die Mutter. Allerdings habe sie feststellen müssen, „dass die Frau nicht zu verteidigen war. Sie war respektlos und mitunter richtig erbarmungslos“. Allgemein habe es Erleichterung darüber gegeben, dass die Lehrerin im Jahr 2002 an die Reinhold-Otto-Schule gewechselt sei, nachdem der Vorfall mit der Blockflöte das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Der betreffende Schüler ist heute 22 Jahre alt. Sein Vater bestätigt den Vorfall: „Frau Sarrazin hat ihm mit der Blockflöte auf den Kopf gehauen.“
 

Ursula Sarrazin bestreitet das. „Die von Ihnen genannten wüsten Vorwürfe sind vollständig aus der Luft gegriffen“, sagte sie am Samstag. Sie habe niemanden mit der Blockflöte geschlagen, die ihr im übrigen „viel zu schade“ für derartige Übergriffe sei. Sie gibt zu, dass sie die Schule verlassen habe – allerdings auf eigenen Wunsch: „Man arbeitet nicht gern an einer Schule, wo es Unstimmigkeiten gibt.“ In einem Gespräch zwischen ihr, der Schulleiterin und der Schulrätin habe die Rektorin „sehr, sehr blass ausgesehen. Ich war diejenigen, die glänzend dastand“.
 

Sarrazin war von 1999 bis Sommer 2002 an der Reinfelder Schule. „Erst als mein Mann im Januar 2002 Finanzsenator wurde, wurden mir Schwierigkeiten gemacht.“ Die Eltern bezeichnen diesen Zusammenhang als „völligen Blödsinn“. Die Probleme hätten schon viel früher angefangen. Sarrazin hat auch an ihrer jetzigen Schule massive Probleme mit Eltern, Lehrern und dem Schulleiter. Zweimal schon wurde versucht, sie zu versetzen. Für das Ehepaar Sarrazin steht fest, dass die Lehrerin wegen des Buches ihres Mannes „Deutschland schafft sich ab“ „in Sippenhaft genommen“ werde. Die jüngsten Vorwürfe waren von einem türkischstämmigen Vater ausgegangen.
 

Im Hinblick auf früheren Erfahrungen in Köln, Bonn und Mainz, teilte Ursula Sarrazin teilte mit, dass dort „menschlich und leistungsmäßig andere Standards“ herrschten, als sie sie in Berlin kennengelernt habe.
 

http://www.tagesspiegel.de/berlin/schule/hat-frau-sarrazin-mit-der-blockfloete-zugelangt/3704824.html