16.02.2011 09:47 Uhr
Von Rita Nikolo
Qualitätspaket
Schulen durchsichtiger machen
Bildungssenator Zöllner will die Transparenz verbessern und Leistungsdaten veröffentlichen. Eltern haben ein großes Interesse daran, die Schulergebnisse online zu sehen.
Gegen einen Vergleich wehrte sich Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) gleich zu Beginn energisch: „ Ich möchte keine Bundesligatabellen, sondern faire Vergleichsdaten.“ Damit war Zöllner bei dem zentralen Thema angelangt, über das er am Montagabend im Oberstufenzentrum Handel 1 in Kreuzberg diskutieren wollte. Der Frage, wie viel Transparenz die Schulen brauchen – und ob es den Bildungseinrichtungen gut tut, wenn ihre Leistungsergebnisse von der Öffentlichkeit eingesehen werden können.
Seine Überzeugung, dass Transparenz gut für die Schulen ist, hat der Senator auch in sein angekündigtes Qualitätspaket aufgenommen.
Er schlägt dabei mehrere Aspekte vor, die Schulen und deren Arbeit durchsichtiger machen sollen: So sollen wichtige Ergebnisse mit in die Schulporträts hineingeschrieben werden, die online über die Seiten der Bildungsverwaltung abgerufen werden können.
Informieren will Zöllner dort ab dem kommenden Schuljahr über die Ergebnisse der neuen Schulinspektionsberichte. „Außerdem sollen online auch die Leistungsdaten der Schulen veröffentlich werden“, sagte Jürgen Zöllner. Und das, wie gesagt, nicht im Stil einer Bundesligatabelle, sondern in einem „fairen Vergleich“. Für Zöllner bedeutet dies, dass die Schulen mehreren Vergleichsgruppen mit guten und schwächeren Leistungen zugeordnet werden – in denen etwa die unterschiedliche Betreuungsintensität berücksichtigt wird, also der Anteil von Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache und der lernmittelbefreiten Schüler.
Die Ergebnisse des MSA und des Abiturs sollen laut Zöllners Vorschlag erstmals zum Ende dieses Schuljahres veröffentlich werden, die Resultate der Vergleichsarbeiten von „Vera 3“ und „Vera 8“ würde er gerne schon ab dem Schuljahr 2012/2013 online stellen.
Landeselternsprecher Günter Peiritsch riet im Anschluss zu einer Differenzierung: „Bei dem Transparenzpaket sollte man zwischen innerer und äußerer Transparenz unterscheiden.“ So seien Vera 3 und 8 zwar wichtige Instrumentarien, die jedoch innerhalb der Schulen und Schulverwaltungen betrachtet werden sollten. „Für die Veröffentlichung auf der Schulporträtseite sind sie nicht geeignet.“ Sorgfältig umgegangen werden müsse auch mit den Ergebnissen der Schulinspektionsberichte. „Sonst droht vielen Schulen eine Abwärtsspirale, die schwer aufzuhalten ist.“
Brigitte Wilhelm, die Vorsitzende des Landeslehrerausschusses, kritisierte Zöllners Instrumentarien zur Transparenz: „Die Schüler haben ganz unterschiedliche Voraussetzungen“, sagte sie. Kritisch äußerte sich auch Lydia Sebold, Schulleiterin der Grundschule am Barbarossaplatz und Vorstandsmitglied des Grundschulverbands Berlin: „Die Veröffentlichungen führen dazu, dass Schüler nur noch für diese Prüfungen lernen und extrem unter Druck stehen“, sagte sie. Es gehe aber auch darum, dass die Kinder lernten, ihre eigene Welt zu gestalten.
Als Gegengewicht zu den anderen Podiumsteilnehmern äußerte sich Christoph von Knobelsdorff, Geschäftsführer für Aus- und Weiterbildung bei der IHK Berlin. „Ich begrüße diese Maßnahmen.“ Schließlich hätten Berliner Betriebe in den vergangen Jahren mit viel zu vielen „nicht ausbildungsreifen“ Azubis zurechtkommen müssen. „Transparenz ist gut für den Wettbewerb“, sagte er. Auch die IHK veröffentliche seit einigen Jahren die Ergebnisse ihrer Prüflinge online. Und er als Vater habe ein großes Interesse daran, die Schulergebnisse online einzusehen.
Der nicht zuletzt als „Mr. Pisa“ bekannt gewordene Bildungsforscher Jürgen Baumert betonte, wie wichtig Transparenz ist: „Wenn Eltern, wie in Berlin, das Wahlrecht haben, setzt dies voraus, dass sie über die Schulen informiert sind.“ Zu den von Senator Zöllner in das Qualitätspaket gelegten Instrumentarien wollte er sich nicht äußern. Er gab jedoch zu bedenken, dass die Angaben absolut zuverlässig sein müssten
http://www.tagesspiegel.de/berlin/schule/schulen-durchsichtiger-machen/3845340.html
16.02.2011
Schulsenator fühlt sich unverstanden
Zöllner streitet mit Lehrern über Schulqualität
Martin Klesmann
Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) wollte Lehrern mal erklären, wie die Berliner Schulen besser werden können. Deshalb hatte er am Montagabend in ein Kreuzberger Oberstufenzentrum geladen. Dort erklärte er, dass alle Vergleichsarbeitsergebnisse sowie sämtliche Schulinspektionsberichte ab dem Schuljahr 2012/13 im Internet veröffentlicht werden sollen. So seien Stärken und Schwächen einer Schule erkennbar. Unter öffentlichem Druck gelte es, bessere Ergebnisse zu erzielen, so seine Idee.
Der Zahlenliebhaber Zöllner ließ zum Vortrag Blätter mit bunten Grafiken austeilen. Abgebildet war eine Schule, an der gut die Hälfte der Schüler kaum zusammenhängend lesen können, beim Vergleichstest für Drittklässler nur die unterste Kompetenzstufe erreichten. "Ein reales Beispiel", so Zöllner. Die Grafik daneben zeigte die Ergebnisse der sechs Berliner Schulen, die eine ähnlich hohe Quote an Kindern nichtdeutscher Herkunft und aus sozial schwachen Familien haben. Der Durchschnittswert dieser Vergleichsgruppe ergibt, dass an allen Schulen etwa 30 Prozent kaum lesen können. Auch das soll im Internet präsentiert werden. "Wieso schneidet die erste Schule besonders schlecht ab?", fragte Zöllner.
Lehrer gegen öffentlichen Druck
Doch sein Internet-Vorstoß kam nicht gut an. Fast alle anwesenden Lehrer sprachen sich dagegen aus, die zentralen Testergebnisse so zu veröffentlichen. "Welche Folgen hat diese Transparenz für die kleinen Kinder?", warf Lydia Sebold, Leiterin der Schöneberger Grundschule am Barbarossaplatz, ein. Es entstehe vor allem mehr Druck, weil die Lehrer ihre Schüler auf diesen Test hintrainierten. Das aber führe zu Selbstzweifeln und Mutlosigkeit gerade bei Kindern aus ohnehin schon benachteiligten Familien. Auch Brigitte Wilhelm vom Landeslehrerausschuss sprach sich gegen Druck und für einen "Schonraum Schule" aus. Bildungsforscher Jürgen Baumert wandte dagegen ein, "Schule als öffentliche Institution" sei rechenschaftspflichtig. Er kritisierte indirekt aber die von Zöllner ebenfalls geplante Fortbildungsverpflichtung für Lehrer. "Juristen etwa haben noch nie nach Fortbildung gerufen, wenn eine neue gesetzliche Regelung kam", so Pisa-Forscher Baumert. Schließlich entglitt die Info-Veranstaltung völlig. Immer mehr Pädagogen beklagten sich über Lehrermangel, Unterrichtsausfall und marode Schulgebäude. Doch darüber wollte Zöllner nicht reden. "Wenn im städtischen Krankenhaus ein Arzt krank wird, arbeitet sein Kollege halt mal ein Stück länger", grantelte er. Der Senator fühlte sich unverstanden.
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2011/0216/berlin/0064/index.html
15.02.2011 21:57 UhrVon Rita Nikolo
Vergleichsarbeiten online
Gegen einen Vergleich wehrte sich Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) gleich zu Beginn energisch: „ Ich möchte keine Bundesligatabellen, sondern faire Vergleichsdaten.“ Damit war Zöllner bei dem zentralen Thema angelangt, über das er am Montagabend im Oberstufenzentrum Handel 1 in Kreuzberg diskutieren wollte. Der Frage, wie viel Transparenz die Schulen brauchen – und ob es den Bildungseinrichtungen gut tut, wenn ihre Leistungsergebnisse von der Öffentlichkeit eingesehen werden können.
Seine Überzeugung, dass Transparenz gut für die Schulen ist, hat der Senator auch in sein angekündigtes Qualitätspaket aufgenommen.
Er schlägt dabei mehrere Aspekte vor, die Schulen und deren Arbeit durchsichtiger machen sollen: So sollen wichtige Ergebnisse mit in die Schulporträts hineingeschrieben werden, die online über die Seiten der Bildungsverwaltung abgerufen werden können.
Informieren will Zöllner dort ab dem kommenden Schuljahr über die Ergebnisse der neuen Schulinspektionsberichte. „Außerdem sollen online auch die Leistungsdaten der Schulen veröffentlich werden“, sagte Jürgen Zöllner. Und das, wie gesagt, nicht im Stil einer Bundesligatabelle, sondern in einem „fairen Vergleich“. Für Zöllner bedeutet dies, dass die Schulen mehreren Vergleichsgruppen mit guten und schwächeren Leistungen zugeordnet werden – in denen etwa die unterschiedliche Betreuungsintensität berücksichtigt wird, also der Anteil von Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache und der lernmittelbefreiten Schüler.
Die Ergebnisse des MSA und des Abiturs sollen laut Zöllners Vorschlag erstmals zum Ende dieses Schuljahres veröffentlich werden, die Resultate der Vergleichsarbeiten von „Vera 3“ und „Vera 8“ würde er gerne schon ab dem Schuljahr 2012/2013 online stellen.
Landeselternsprecher Günter Peiritsch riet im Anschluss zu einer Differenzierung: „Bei dem Transparenzpaket sollte man zwischen innerer und äußerer Transparenz unterscheiden.“ So seien Vera 3 und 8 zwar wichtige Instrumentarien, die jedoch innerhalb der Schulen und Schulverwaltungen betrachtet werden sollten. „Für die Veröffentlichung auf der Schulporträtseite sind sie nicht geeignet.“ Sorgfältig umgegangen werden müsse auch mit den Ergebnissen der Schulinspektionsberichte. „Sonst droht vielen Schulen eine Abwärtsspirale, die schwer aufzuhalten ist.“
Brigitte Wilhelm, die Vorsitzende des Landeslehrerausschusses, kritisierte Zöllners Instrumentarien zur Transparenz: „Die Schüler haben ganz unterschiedliche Voraussetzungen“, sagte sie. Kritisch äußerte sich auch Lydia Sebold, Schulleiterin der Grundschule am Barbarossaplatz und Vorstandsmitglied des Grundschulverbands Berlin: „Die Veröffentlichungen führen dazu, dass Schüler nur noch für diese Prüfungen lernen und extrem unter Druck stehen“, sagte sie. Es gehe aber auch darum, dass die Kinder lernten, ihre eigene Welt zu gestalten.
Als Gegengewicht zu den anderen Podiumsteilnehmern äußerte sich Christoph von Knobelsdorff, Geschäftsführer für Aus- und Weiterbildung bei der IHK Berlin. „Ich begrüße diese Maßnahmen.“ Schließlich hätten Berliner Betriebe in den vergangen Jahren mit viel zu vielen „nicht ausbildungsreifen“ Azubis zurechtkommen müssen. „Transparenz ist gut für den Wettbewerb“, sagte er. Auch die IHK veröffentliche seit einigen Jahren die Ergebnisse ihrer Prüflinge online. Und er als Vater habe ein großes Interesse daran, die Schulergebnisse online einzusehen.
Der nicht zuletzt als „Mr. Pisa“ bekannt gewordene Bildungsforscher Jürgen Baumert betonte, wie wichtig Transparenz ist: „Wenn Eltern, wie in Berlin, das Wahlrecht haben, setzt dies voraus, dass sie über die Schulen informiert sind.“ Zu den von Senator Zöllner in das Qualitätspaket gelegten Instrumentarien wollte er sich nicht äußern. Er gab jedoch zu bedenken, dass die Angaben absolut zuverlässig sein müssten. Rita Nikolow
http://www.tagesspiegel.de/berlin/vergleichsarbeiten-online/3845340.html