Der Londoner Sarrazin-Eklat in der deutschen Presse: Das Wort „Arschloch“ ist ein Argument - wenn Henryk M. Broder es verwendet. Er hatte noch andere Verbalinjurien parat und hat sie inzwischen auch approbiert.
Als Broder, Sarrazin und Co. an die LSE kamen
Von Lieselotte
erstellt am– 21. Februar 2011
In: Henryk M. Broder, Thilo Sarrazin
Henryk Broder, Thilo Sarrazin, Hellmuth Karasek und Ali Kizilkaya diskutieren an der LSE in London. Ueber Integration in Deutschland. Dass das keine ausgewogene Diskussion werden wuerde, war zu erwarten. Dass Publikum und Protestanten wuest beschimpft wuerden, es vor dem Veranstaltungssaal fast zu einer Schlaegerei gekommen waere, vielleicht eher nicht. Friedrich, der mit mir studiert, meinte, er habe sich danach einfach nur geschaemt, fuer sein Land. Und kaum einer meiner Freunde und Bekannten aus England, Kanada, den USA konnte verstehen, was fuer “Intellektuelle” wir uns da in Deutschland halten.
Am vernuenftigsten scheint Kizilkaya geredet zu haben. Man muss “Anderssein akzeptieren”; viele der Probleme, die man mit “Tuerken” in Deutschland habe, seien Schichtenproblem und nicht kultureller oder religioeser Art – so weit, so unspektakulaer. Die Anmerkung, dass man sich mit der Islamkonferenz einen “Islam auf Bestellung” zurecht machen wollte, war da wohl schon fast revolutionaer.
Auch von Broder kam nichts wirklich Ueberraschendes. Deutschlands Haltung gegenueber dem Islam ist “appeasement” (na klar), Migration an sich ist kein Problem, sondern der Islam (ja genau), was man daran sieht, dass es mit Persern und Aleviten keine Probleme gaebe (was fuer eine differenzierte Sicht der Dinge, ich bin beeindruckt).
Und auch Sarrazin fuhr die Schiene, die man halt so von ihm gewoehnt ist: Deutschland wandelt sich, das waere normal, aber an diesem Wandel sei nichts Gutes (wo lebt der Mann?).
Wir halten fest:
(1) Zur Zusammenstellung der Podiumsgaeste: Nun, ja. Ausgewogenheit sieht anders aus. Man haette ja einen der beiden, Broder oder Sarrazin einladen koennen – und dazu dann jemanden, der den beiden richtig gut kontern kann. Und jemand, der was von Migration in Deutschland weiss, haette auch nicht nur einen Tuerken, einen Muslim eingeladen, sondern einen Vertreter einer anderen Migrantengruppe. Das waere zumindest ein Versuch gewesen, von dieser unleidlichen Islamfixierung der deutschen Integrationsdebatte weg zu kommen. Ausserdem waere es schoen gewesen, wenigstens eine Frau und / oder einen juengeren Diskussionsteilnehmer auf dem Podium sitzen zu haben. Sarrazins, Broders, Karaseks, Kizilkayas Deutschland – das ist nicht unser Deutschland.
(2) Broder spielt wirklich auf unterster Liga. Auf seinem Blog heulte er, die LSE habe “gekniffen” und die Veranstaltung aus Feigheit abgesagt, dabei letztes Jahr aber kein Problem gehabt, Ghaddafi einzuladen. Ghaddafi hat per Videouebertragung an der LSE gesprochen, so wie eine ganze Reihe auslaendischer Staatsfuehrer das regelmaessig machen. Als Beispiel haette der gute Herr Broder dann vielleicht doch lieber den Vortrag des Herausgebers der arabischen Zeitung Al-Quds al-Arabi Abdel Bari Atwan, der fuer seine kontroversen Aussagen zur HAMAS bekannt war, erwaehnen sollen. Nach Protesten und ner Menge Aufruhr waehrend der Veranstaltung wurde der zweite Teil des Vortrags aus Sicherheitsgruenden abgesagt. Genau wie dieses Mal. Einmal sind die HAMASis dran, einmal die Islamopaniker – was hat das mit Feigheit oder Blindheit auf dem muslimischen Auge, wie Broder unterstellt, zu tun?!
(3) Und warum Broder, der ausfaellig wird, poebelt, und denen, die nicht konform mit ihm gehen, fast eine auf die Nase haut, warum der so viel besser sein soll als die testoterongetriebenen Jugendlichen mit deutscharabisch- oder -tuerkischem Hintergrund in Deutschlands Staedten, ueber die der Gute sich so gerne beschwert – das muss mir erst noch einmal einer erklaeren.
(3) Bleibt zu hoffen: Dass die alten, selbstgerechten Maenner bald abtreten. Euer Deutschland ist nicht unser Deutschland. Und wenn einer wie Hellmuth Karasek froh ist, “zu alt zu sein”, um “das Schlimmste”, was Deutschland bevorsteht, noch zu erleben, dann tut der Mann mir Leid. Was waere Berlin ohne seine deutsch-tuerkischen Baeckereien, in denen man simit und Kaiserbroetchen kaufen kann; was waere Frankfurt ohne seine indischen Restaurants, in denen das Essen fast besser schmeckt als in Indien; oder Muenchen ohne seine italienischen Restos, in denen sowieso fast nur Inder in der Kueche stehen? Was wuerden wir machen ohne einen Wladimir Kaminer, ohne Rafik Schami, Herta Mueller, Fatih Akin?
http://www.aggromigrant.com/2011/02/21/als-broder-sarrazin-und-co-an-die-lse-kamen/