12.03.2011
Neue Lehrer braucht das Land
Wegen der anstehenden Wahlen in Berlin wird um die künftige Bildungspolitik gerungen
Über die Zukunft des Berliner Schulwesens wird derzeit heftig gestritten: Während der Landeselternausschuss (LEA) vor einer Woche mit Protestaktionen begonnen hat, um auf die eklatanten Missstände an den Berliner Schulen hinzuweisen (siehe taz vom 5. 3. 2011), hat die Senatsverwaltung für Bildung Werbeanzeigen in Berliner Tageszeitungen geschaltet.
Ziel ist es, mehr als 1.000 Lehrkräfte "nahezu jeder Fächerkombination" unbefristet einzustellen. Zugleich wird um Vertretungspersonal geworben. Dafür sollen neben ausgebildeten Lehrern auch Quereinsteiger ohne 2. Staatsexamen, Rückkehrer aus der Elternzeit oder Ruheständler in Frage kommen und eine Beschäftigung auf der Basis befristeter Verträge erfolgen.
Währenddessen hat sich auch die grüne Spitzenkandidatin Renate Künast in die Debatte eingemischt. Auf der Landesdelegiertenkonferenz stellte Künast klar, dass das Bildungswesen der einzige Bereich sei, in dem die Grünen keine Einsparungen vornehmen wollen - schließlich gehe es um "die Zukunft unserer Kinder". Angesichts maroder Schulgebäude, übervoller Klassen und des Lehrermangels sieht diese nicht unbedingt rosig aus. Der LEA plant daher, seine Protestaktionen bis zur Wahl im Herbst weiterzuführen.
Infos zu den vom Landeselternausschuss (LEA) geplanten Protestaktionen unter: lea-berlin.de. Details zu den neuen Lehrerstellen unter: www.berlin.de/sen/bildung/lehrer_werden/einstellungen
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sp&dig=2011%2F03%2F12%2Fa0199&cHash=7b4510f6bc
04.03.2011 Schule
Rote Karten für die Schulpolitik
Der Landeselternausschuss (LEA) will mit Protestaktionen auf die Missstände an den Berliner Schulen hinweisen. LEA-Chef Günter Peiritsch: Alle Parteien in der Pflicht.
VON PLUTONIA PLARRE
Erst wollen die Lehrer protestieren, dann die Eltern - ab April steht der Stadt eine Protestwelle ins Haus. Die Schulen seien heruntergewirtschaftet, so könne es nicht weitergehen, kündigte der Vorsitzende des Landeselternausschusses (LSA) Günter Peiritsch am Freitag die Aktion "Rote Karte" an. Rund 400.000 Rote Karten, die auf die Missstände in der Bildungslandschaft hinweisen, sollen in Form von Aufklebern unter die Leute gebracht werden. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ruft am 5. April die Lehrer dazu auf, während der Unterrichtszeit für eine Stundenreduzierung für ältere Lehrkräfte zu demonstrieren (die taz berichtete).
Der Landeselternausschuss und die GEW ziehen mit ihren Forderungen an einem Strang. Mit der Aktion "Rote Karte" wird "mehr Kohle für Schulen" gefordert. Auf der Rückseite der Dummies, die Pressevertretern am Freitag ausgehändigt wurden, heißt es: "Befestigen Sie diesen Aufkleber auf ihrem Auto, im Fenster, an der Haustür." Mit weißen Lettern auf rotem Grund werden die Misstände in den Berliner Schulen angeprangert: fehlende Lehrer, unzureichendes Raumangebot, marode Schulgebäude, nicht ausreichend erteilter Unterricht, erhöhte Krankenstände durch überfordertes Lehrpersonal, zu wenig Schülermensen- die Liste ließe sich endlos fortsetzen.
Die Misstände seien offenkundig, so der LSA-Vorsitzende Peiritsch. Als Bespiele verweis er auf die Grundschule am Weißensee. In der Schule aufgenommene Bilder zeigen, dass der Putz von den Wänden bröckelt, der Fußbodenbelag sich wellt und löchrig ist. Beziffern könne er die Summen, die den Schulen fehlen, nicht, sagte Peiritsch. Immer wieder werde er gefragt, welchen Etat man zusammenstreichen solle, um zusätzliche Mittel für die Schulen locker zu machen. "An dieser unheilvollen Diskussion beteiligen wir uns nicht".
Mit der Aktion "Rote Karte" fordert der LSA einen "Rettungsschirm für Berliner Schulen". Bei den Banken habe der Hilferuf schließlich auch funktioniert, so Peiritsch. Schulqualität könne nicht mit Kostenneutralität gleichgesetzt werden, wie es politisch Verantwortliche gerne täten. "Bildung ist eine unserer wichtigsten Ressourcen".
Adressat der Aktion "Rote Karte" sind Peiritsch zufolge keineswegs nur Schulsenator Jürgen Zöllner (SPD) und der rote-rote Senat. "An dem Raubbau, der sich in den letzten Jahrzehnten an unseren Schulen abgespielt hat, waren alle Parteien beteiligt", so Peiritsch.
Die Aufkleber sollen bis Mitte April in Umlauf gebracht werden. Begleitet werden soll die bis zum Herbst geplante Aktion durch vielfältige Diskussionsveranstaltungen zum Thema Schulmisere und einen Sternmarsch. Es gehe darum, Druck aufzubauen, "in einen Dialog für das tatsächliche Erreichen von Zielen einzutreten". Dass Wahlkampf ist, sei da von Vorteil.
http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/rote-karten-fuer-die-schulpolitik/
04.03.2011
13:48 Uhr
Berliner Schulen
Rote Karte für Schulpolitik
Mit einer Protestaktion will der Landeselternausschuss auf die mangelnde Finanzierung der Berliner Schulen hinweisen.
"Rettungsschirm für Berliner Schulen" und "Mehr Kohle für Schulen" - so lauten die Slogans, die auf den roten Karten des Landeselternausschusses stehen sollen. Der LEA will mit dieser Protestaktion auf die Unterfinanzierung der Berliner Schulen aufmerksam machen, die roten Karten sollen als Zeichen für die Unterstützer der Aktion fungieren und an "Kleidung, an der Haustür oder am eigenen Auto" befestigt werden. Der Landesausschuss will mit dieser Aktion eine Budgeterhöhung für den Bildungsetat im Senat erreichen. Als Negativbeispiel für die fehlenden Mittel nennt der Vorsitzende des LEA die Grundschule am Weißen See in Pankow, wo der Putz schon von den Wänden falle.
Mit dem zusätzlichen Geld soll auch zukünftiger Unterrichtsausfall verhindert werden. Der Druck der roten Karten soll mit Spenden finanziert werden, da der LEA selbst über kein Budget verfügt. Beginnen soll die Aktion Anfang April, Unterstützer können sich auf der Internetseite www.lea-berlin.de informieren. (dpad)
http://www.tagesspiegel.de/berlin/rote-karte-fuer-schulpolitik/3916400.html
05.03.2011 SCHULEN
Rote Karten und Rettungsschirme
von Martin Klesmann
Berlins oberstes Elterngremium will mit zahlreichen Protestaktionen im Wahljahr dafür sorgen, dass die Schulen finanziell besser ausgestattet werden. „Schon wegen des Wahlkampfes werden wir jetzt auch gehört“, sagte Günter Peiritsch, Vorsitzender des Landeselternausschusses (Lea), am Freitag. Ab Mitte April sollen mindestens 300 000 Protestaufkleber gedruckt sein und in der Stadt verteilt werden. „Mehr Kohle für Schulen“, steht auf „Roten Karten“ oder „Rettungsschirm für Berliner Schulen“. Eltern sollten die Zettel an ihre Fenster oder auf ihre Autos kleben, um gegen Fachlehrermangel, marode Schulen und die zunehmende Belastung ihrer Kinder zu demonstrieren, so Peiritsch. Geplant seien diverse Veranstaltungen sowie in der Endphase des Wahlkampfes eine Großdemonstration.
Peiritsch kritisierte insbesondere den Unterrichtsausfall an öffentlichen Schulen. „Wenn Mathe-Unterricht im Stundenplan steht, dann sollte auch ein Fachlehrer in der Klasse sein“, sagte er. Als Vertretung komme häufig aber eine fachfremde Kraft zum Einsatz. Auch wenn nur ein Arbeitsblatt reingereicht würde, gelte die Stunde bereits als vertreten. Tatsächlich werden acht Prozent aller Unterrichtsstunden in Berlin nicht vom zuständigen Fachlehrer gehalten, aber nur zwei Prozent des Unterrichts gelten offiziell als ausgefallen. Peiritsch forderte vom Senat „Anreize, die eine Abwanderung der Referendare in andere Bundesländer vermeiden“. Auch müssten gut qualifizierte Seiteneinstieger „zu existenzsichernden Bedingungen“ in den Schulbetrieb übernommen werden.
Die Lea-Vertreter kritisierten, dass alle Schulreformen der jüngsten Zeit nach Aussagen der Bildungsverwaltung„kostenneutral“ umgesetzt würden. „Immer neue Aufgaben sind von den Schulen ohne zusätzliche Mittel zu stemmen.“ Die geplante Auflösung der meisten Förderschulen und die Integration von behinderten Kindern an Regelschulen sei nicht „kostenneutral“ zu machen.
Die Protestaktionen der Eltern werden von der Bildungsgewerkschaft GEW unterstützt, auch finanziell. Die GEW organisiert parallel einen Warnstreik, damit ältere Lehrer Altersmäßigungsstunden erhalten. Der Elternausschuss hat für seine Protestaktionen zu Spenden aufgerufen. Der Landesverband Schulische Fördervereine Berlin-Brandenburg, dem 444 Vereine angehören, hat dafür ein Spendenkonto eingerichtet.
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Die Kritik
Bauliche Mängel: Viele Schulgebäude sind marode, sagt der Landeselternausschuss und nennt als Beispiel die Grundschule am Weißen See mit undichten Fenstern und kaputter Heizung.
Lehrerausstattung: Jede Schule wird bürokratisch zu hundert Prozent mit Lehrern versorgt. Sind Lehrer krank, muss Unterricht vertreten werden. Als Folge fällt dann meist ausgerechnet der Sprachförderunterricht für Migrantenkinder aus.
Sparmodell: Für das Jahrgangsübergreifende Lernen in der Grundschule hatte der Senat zwei Pädagogen pro Klasse versprochen. Tatsächlich gibt es jedoch nur einen Lehrer. So sind Reformen nur schwer umsetzbar.
Berliner Zeitung, 5.3.2011
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/berlin/334040/334041.php
05.03.2011
Öffentlicher Druck wirkt
Martin Klesmann
versteht die Eltern, die mehr Geld für die Berliner Schulen haben wollen.
Wer sich in Berlin nur laut genug Gehör verschafft, der erreicht meist, dass seine Forderungen wenigstens ein Stück weit erfüllt werden. Das wissen auch Schulleiter, wenn sie Elternvertreter vorschicken, um den Unterrichtsausfall an ihrer Schule öffentlich zu machen. Oft reagiert die eher träge Schulverwaltung dann plötzlich rasend schnell. Nach dem gleichen Prinzip verfährt nun auch der Landeselternausschuss. Nur ein paar Nummern größer. Mitten im Wahljahr organisiert Berlins oberstes Elterngremium den landesweiten Protest. Die kritischen Punkte werden dabei treffend analysiert: Der Fachlehrermangel wird angesichts der anstehenden Pensionierungswelle tatsächlich ein Riesenproblem werden. Das Heer der nicht ausgebildeten Vertretungslehrer wächst. Das umständlich-planwirtschaftliche Berechnen des Lehrerbedarfs lähmt zudem vielerorts den Schulbetrieb. Gerade wurden den Gymnasien in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Entlastungsstunden gestrichen, weil woanders die Stellen nicht ausreichen. Gut gemeinte Reformen werden also nicht hinreichend finanziert. Und wichtige Entscheidungen, wie etwa die Lehrerbesoldung auf längere Sicht vernünftig geregelt werden soll, verschiebt der Senat immer wieder. Der Landeselternausschuss nutzt nun die Möglichkeit, auf Missstände hinzuweisen.
Verantwortungsvoller wäre es aber zu sagen, wie viel Geld genau der Landeselternausschuss mehr haben möchte. Und vor allem, woher er es nehmen will.
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2011/0305/berlin/0114/index.html