Die mit 2,6% extrem niedrige Bestehensquote des sogenannten Probeunterrichts als zusätzliche Zugangsmöglichkeit zum Gymnasium hat viele betroffene Eltern schockiert und es gibt bereits verschiedenen Petitionen. Auch wir als LEA sind vom Ergebnis sehr überrascht. Verglichen mit Brandenburg, wo die Quote bei etwa 10% liegt, oder mit Baden-Württemberg, wo 6% der Viertklässler*innen im „Kompass 4“ den Mathematik-Teil und 27% ausreichend Kompetenzen in Deutsch für das Gymnasium mitbringt, ist das schlechte Abschneiden der interessierten Berliner Schüler*innen nicht nachvollziehbar.
Kritik am Verfahren:
- Extrem niedrige Bestehensquote: Die niedrige Quote ist für uns sehr überraschend. Im Ergebnis bleibt vielen Schüler*innen mit Empfehlung für die Integrierte Sekundarschule oder Gemeinschaftsschule, die früher das Gymnasium besucht und das Probejahr bestanden (!) hätten, nun der Zugang zum Gymnasium verwehrt. Bei einer höheren Bestehensquote wäre die Situation anders.
- Validität des Testverfahrens: Angesichts der mutmaßlich sehr hohen Anforderungen der Testsituation stellt sich die Frage, wie viele derjenigen Schüler*innen den Test wohl bestanden hätten, die eine Gymnasialempfehlung aufgrund der Förderprognose haben. Diesem „Realitätscheck“ ist das Testverfahren nicht unterzogen worden. Dies ist besonders relevant, da bereits früher viele Schüler*innen mit Gymnasialempfehlung am Probejahr gescheitert sind.
- Hoher Druck auf Schüler*innen: Die Prüfung erzeugt enormen Druck, der sich negativ auswirkt. Viele Schüler*innen waren erstmalig und unvorbereitet in einer solchen Situation. Zudem ist unklar, ob die abgefragten Kompetenzen und das notwendige Wissen tatsächlich in der Schule vermittelt wurden. Für uns spielt hier die Pandemie eine Rolle, denn auch dieser Jahrgang war noch von Schulschließung, schulisch-angeleitetem Lernen zu Hause und damit von reduzierter Vermittlung von Kompetenzen und Wissen betroffen.
- Unklare Anmeldebedingungen: Es ist nicht sichergestellt, dass alle Eltern ihre Kinder rechtzeitig zum Probeunterricht anmelden konnten, insbesondere Familien nicht deutscher Herkunftssprache.
- Überstürzte Einführung: Der Landeselternausschuss hat bereits vor Monaten im Beratungsprozess der Schulgesetzänderungen per Beschluss den deutlichen Hinweis gegeben, die Verfahrensänderung nicht überstürzt umzusetzen, sondern sich ein Jahr mehr Zeit zu lassen.
Forderungen:
- Schaffung guter Lernbedingungen: Für unerwartet viele Schüler*innen ist nun klar, dass sie nicht aufs Gymnasium wechseln können. In der aktuellen Situation und angesichts des bekannten Mangels an Schulplätzen ist damit vollkommen offen, wie nun sehr gute Lernbedingungen für alle Schüler*innen an allen weiterführenden Schulformen geschaffen werden sollen. Wir haben in zahlreichen Gesprächen seit Monaten darauf hingewiesen, dass Integrierte Sekundarschulen möglicherweise überfüllt werden und teilweise auch schon sind. Für den aktuellen Jahrgang ist dies eine zentrale Frage in den kommenden Wochen.
- Eingehende Analyse des Testverfahrens: Wir fordern eine umfassende Analyse des Zulassungstests, ähnlich wie bei den Vergleichsarbeiten. Dabei sollten konkrete Aspekte analysiert und die relevanten Akteure - einschließlich des Landeselternausschusses - beteiligt werden. Folgende Fragestellungen sollen u. a. beleuchtet werden:
- In welchen Testteilen haben die Schüler*innen nicht bestanden? Welche Ableitungen lassen sich daraus ziehen?
- Wie notwendig sind das abgefragte Wissen und die Kompetenzen, um tatsächlich am Gymnasium bestehen zu können, und wie verzahnt sich das mit dem Rahmenlehrplan, der als Grundlage der Tests benannt wurde?
- Wer übernimmt die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation der Analyse des Verfahrens?
- Veröffentlichung der Arbeiten: Der Inhalt der Arbeiten sollte veröffentlicht werden, damit die (Schul-) Öffentlichkeit sich einen Eindruck verschaffen kann. Ebenso sollte veröffentlicht werden, was im tatsächlichen „Probeunterricht“ vermittelt und erwartet wurde – also in demjenigen Testbestandteil, in dem soziale Kompetenzen, Teamfähigkeit u.ä. geprüft werden sollten. Auch eine Veröffentlichung der Bewertungsmaßstäbe für alle Testbestandteile ist aus unserer Sicht zentral.
- Stärkung der Integrierten Sekundarschulen: Die ISS, insbesondere jene ohne eigene gymnasiale Oberstufe, müssen gestärkt werden.
- Verbesserung der Beratung: Die Beratung zum Thema Übergang in die weiterführende Schule muss erheblich verbessert werden. Dies ist ein Thema, auf das wir schon sehr lange hinweisen. Dazu gehört auch eine bessere Aufklärung über die Durchlässigkeit des Berliner Bildungssystems. Aus Gesprächen mit Eltern wissen wir, dass oft ein Gymnasium gewählt wird, weil die soziale Zusammensetzung und Wegebeziehungen berücksichtigt werden. Dies wird vielen Integrierten Sekundarschulen nicht gerecht und unterstreicht die Notwendigkeit, diese Schulform zu stärken.
Die Senatsbildungsverwaltung hat das neue Verfahren ohne ausreichende Vorbereitung eingeführt – gegen alle Warnungen aus der Elternschaft. Jetzt muss sie sich den Konsequenzen stellen. Der LEA wird sich weiterhin für ein gerechtes und transparentes Schulsystem für alle Schüler*innen einsetzen.